„Besser kein Deal als ein schlechter.“ Noch immer glaubt die britische Premierministerin Theresa May offenbar, dass die EU aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen bei den Brexit-Gesprächen mit London im letzten Moment einknicken und den Briten Sonderregeln für das künftige Verhältnis gestatten wird. Das ist hoch gepokert. Denn bisher haben sich die 27 anderen EU-Staaten in dieser Frage erstaunlich einig gezeigt. Die Hoffnung der Regierung in London, die Partner gegeneinander ausspielen und so die Rosinen vom Brüsseler Kuchen erhaschen zu können, hat sich bisher nicht erfüllt.
Was May zu unterschätzen scheint, ist die fundamentale Bedeutung, die die vier Grundfreiheiten (freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen) für die Existenz des Binnenmarkts und die EU haben. Würde EU-Chefunterhändler Michel Barnier den Briten hier Sonderrechte zubilligen, würde er die Büchse der Pandora öffnen und den 27er-Club sprengen. Dann kämen morgen die Franzosen mit Sonderwünschen, übermorgen die Deutschen und so weiter. Kein Wunder, dass immer mehr Regierungen ihre Unternehmen aufrufen, sich auf die desaströseste aller Brexit-Varianten einzustellen: einen Austritt ohne Vertrag. Die Zeit verrinnt. Der Ball liegt im Feld Londons. May hat in wenigen Wochen den Tory-Parteitag vor der Brust, ihre innerparteilichen Gegner wetzen bereits die Messer. Keine guten Voraussetzungen, um den Briten endlich reinen Wein einzuschenken.
Alexander Weber
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