Trauerfeier für John McCain

Enormes Vakuum

von Redaktion

Warum in den USA ein Senator und ehemaliger Präsidentschafts-Kandidat mit der enormen öffentlichen Beachtung beigesetzt wird, die sonst nur einem Staatsoberhaupt zuteil wird, ist aus europäischer Sicht vielleicht nur schwer verständlich. Drei frühere Präsidenten und ihre First Ladys saßen in der ersten Reihe der National- Kathedrale in Washington, als John McCain die letzte Ehre erwiesen wurde. Demokraten und Republikaner trauerten in Handschlags- und Taschentuch-Reichweite. Die Symbolik war ungewollt, aber so zeitgemäß wie selten: Das zerstrittene Land, unfähig zur Heilung durch den abwesenden – weil bewusst nicht eingeladenen – Donald Trump, setzte in diesem Augenblick ein Zeichen für Überparteilichkeit und essenzielle Werte wie Respekt und Fairness im Umgang miteinander.

Gerade die Reden von George W. Bush und Barack Obama zeigten, welches enorme Vakuum derzeit im Weißen Haus herrscht. Sie ehrten den verstorbenen politischen Widersacher – McCain kandidierte ja gegen beide für die Präsidentschaft – mit angemessen Worten. Und sie erinnerten gleichzeitig an das oft so gern vergessene Prinzip, dass der Beruf eines Politikers in erster Linie bedeuten sollte, dem Land zu dienen. Donald Trump könnte solche Reden allein von seinem Intelligenzquotienten und seiner Glaubwürdigkeit her nie überzeugend halten. Mit den Tugenden McCains, der sich stets auch als politischer Brückenbauer verstand, hat er überhaupt nichts gemeinsam. Dies war die Kernbotschaft, die von der Trauerfeier ausging – und wohl von den meisten Bürgern im Land verstanden wurde.

Friedemann Diederichs

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