Gillamoos

Strahlen gegen den Niedergang

von Redaktion

von Kathrin Brack

Abensberg – Eineinhalb Stunden lang haben sich SPD-Parteichefin Andrea Nahles und die bayerische Spitzenkandidatin Natascha Kohnen unterm weiß-blauen Bierzelthimmel lautstark an ihren Themen und den politischen Gegnern abgearbeitet. Da präsentiert die Landtagsabgeordnete Johanna Werner-Muggendorfer zwischen Schlussapplaus und Bayernhymne im Jungbräu-Zelt ein Geschenk: den Sauschwanzlbeißer. „Eine Medizin“, erklärt die Parteifreundin. Für den Magen. Hilfreich, wenn einem schlechte Umfragewerte auf selbigen schlagen. Tatsächlich macht das Damenduo einen recht fidelen Eindruck: Nahles und Kohnen strahlen am Gillamoos um die Wette.

Dabei gibt die Lage der Bayern-SPD eigentlich keinen Grund für Fröhlichkeit her: Umfragen sahen die Partei zuletzt bei 13 Prozent, hinter AfD und Grünen. Doch damit halten sich weder die Spitzenkandidatin noch die Parteichefin auf. Brutaler Zweckoptimismus im Angesicht des drohenden Desasters. Sie sind gekommen, um Klartext zu reden. Und so ziehen Natascha Kohnen, grünes Dirndl, und Andrea Nahles, rot-weißer Hosenanzug, durch das gut gefüllte, aber nicht volle Bierzelt zum „Festjubelmarsch“ ein.

Der Jubel konzentriert sich vor allem auf die vorderen Bierbankreihen, wo fahnenschwingende Anhänger sich mühen, die höfliche Zurückhaltung im Rest des Zeltes zu kompensieren. Als sich die Rednerinnen gefolgt von der Bayern-SPD und umringt von Fernsehkameras Richtung Bühne schieben, strahlen sie den Sprühregen draußen erfolgreich fort.

Sie strahlen auch noch, als die Berchinger Stadtkapelle die Eigenkreationen „Mia spuin am knallroten Gillamoos“ und „Rote Natascha“ zum Besten geben. Und während hinten längst wieder alle sitzen, geht vorne Andrea Nahles in Kampfstellung. Tacheles reden, das könne sie, sagt die Parteichefin. Und das Strahlen verschwindet.

Nahles erhebt die Stimme und wird sie eine halbe Stunde lang nicht mehr senken, so sehr redet sich die 48-Jährige in Rage. Die Hände zu Fäusten geballt, schreit sie sich auf der Bühne heiser. Über die Ausschreitungen von Chemnitz, denen „ein schlimmes Verbrechen“ vorausging. Sie werde „dem rechten Mob nicht unsere Straßen überlassen“, poltert die Parteichefin. „Das ist kein Protest, das ist eine Schande für unser Land.“ Über die CSU, die „nur zündelt“. Über den unzureichenden Breitbandausbau, der „für den ländlichen Raum überlebenswichtig“ sei. Über die Gegner des vereinten Europa. Und für die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2040. Eine bairische Vokabel begleitet die Rede: Schmarrn. Vieles, was die CSU macht, sei einfach Schmarrn, sagt sie.

Natascha Kohnen, die direkt nach der Parteichefin ans Rednerpult tritt, hat für ihre Haltung zur CSU einen anderen Standardsatz gefunden: „Das ist unanständig.“ Der Umgang des damaligen Finanzministers Markus Söder mit den GBW-Wohnungen: unanständig. Das bayerische Familiengeld, das Bezieher von Hartz IV vor Weihnachten wieder zurückzahlen müssen: unanständig. Dass Söder von Asyltourismus sprach: unanständig. „So geht’s nicht in unserem Land“, schimpft Kohnen und ist schließlich ähnlich aufgebracht wie Andrea Nahles.

Es kommt offensichtlich an: Beide ernten am Ende mehr Applaus als beim Einzug. „Frau Kohnen ist eine kämpferische, energische Frau, das find ich gut“, sagt Kornelia Saller, die mit ihrem Mann aus dem Nachbarort gekommen ist. „Für die Region vertrau ich Frau Kohnen“, erklärt sie entschieden. Und dann offenbart sich mit einem Satz das Dilemma der Bayern-SPD: „Leider haben wir in Bayern einen schweren Stand – und es ist utopisch, dass wir die Landesregierung stellen.“ Damit will sich Natascha Kohnen gar nicht erst befassen. „Lauft, lauft, lauft, SPDler!“, ruft sie die Parole für die Wochen bis zur Wahl aus. Wenn alles Strahlen und Reden nicht hilft, hat sie zumindest noch den Sauschwanzlbeißer.

Artikel 8 von 11