Landtagswahl

Der Ton wird schärfer

von Redaktion

von mike schier und christopher meltzer

München – Es muss schon eine ganze Menge geschehen, dass der gemütliche Martin Zeil so aus der Haut fährt. „Die CSU fährt eine widerliche Schmutzkampagne im Stil der AfD gegen ihren früheren Koalitionspartner“, schimpft der FDP-Politiker, einst immerhin stellvertretender Ministerpräsident. „Dieser Tiefpunkt der politischen Kultur zeigt, wie groß die Panik sein muss.“ Und fügt dann noch an: „Erbärmlich.“

Um seinen Wutausbruch auf Twitter zu erklären, hängt Zeil ein Foto an. Es zeigt die Überschrift: „10 Gründe gegen die FDP in Bayern“. Es folgt eine Aufzählung, in schwarzer Schrift auf gelber Farbe. Unter Punkt 3 heißt es: „Die FDP sieht bayerische Beamtinnen und Beamte nur als Kostenfaktor und schwächt das Bildungsland Bayern.“ Was Zeil an diesen Sätzen besonders ärgert, ist der Ort, wo sie zu finden sind: auf der offiziellen Website der CSU.

41 Tage vor der Landtagswahl hat die CSU ihrem Internetauftritt am Montag eine neue Rubrik hinzugefügt. Unter dem Stichwort „Argumentationen“ veröffentlichte sie gleich mehrere Listen mit „10 Gründen gegen. . .“ Der SPD wirft sie vor, dass diese „in Arbeitslosigkeit statt Arbeit investieren“ will, die Grünen nennt sie „ein Sicherheitsrisiko für Bayern“ und „das einzige Programm der Freien Wähler“ sei „die Ämterhäufung bei Hubert Aiwanger“. Die CSU-Strategen haben viele Anklagen zusammengetragen.

Erfunden hat die CSU dieses politische Stilmittel nicht: Schon Konrad Adenauer warnte im Wahlkampf vor der SPD, der er unterstellte, Deutschland in einen sowjetischen Satellitenstaat verwandeln zu wollen. Doch der Ton hat sich verschärft, er erinnert an den US-Wahlkampf, wo es für Aktionen dieser Art einen Fachbegriff gibt: Negative Campaigning. Eine Taktik, die das Prinzip des politischen Werbens umdreht. Sie hebt nicht die eigenen Inhalte hervor, sondern zielt darauf ab, den politischen Konkurrenten in ein schlechtes Licht zu rücken. Seit Jahren pilgern deutsche Wahlkampfmanager zu Republikanern und Demokraten, um deren Tricks zu lernen. Immer öfter werden sie inzwischen hierzulande angewendet – auch wenn es dabei nicht so persönlich wird.

Am Tag nach dem Erscheinen der CSU-Listen kontern in Bayern die politischen Rivalen. „Weil die CSU selbst orientierungslos ist, stänkert sie gegen andere“, sagt Ludwig Hartmann, der Spitzenkandidat der Grünen. Er merkt an, dass die Regierungspartei bisher „nicht mal ein eigenes Programm“ habe. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher sagt: „Unter Strauß und Stoiber hat die CSU für ihr Programm geworben. Heute arbeitet sie sich mühsam und aggressiv an kleineren Parteien und Wählergruppierungen ab.“ Und der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, hält die Aufzählungen für eine „Lügenliste“. Er meint: „Diese peinliche Aktion der CSU hat hohen Unterhaltungswert und zeigt deren Verzweiflung.“

CSU-General Markus Blume kann die Aufregung nicht verstehen. „Der Aufschrei der Oppositionsparteien zeigt, dass wir wunde Punkte getroffen haben, an die sie nicht gerne erinnert werden wollen.“ Die Konkurrenz sei offensichtlich nur im Austeilen stark. „Die anderen Parteien wollen ein anderes Bayern. Das kann man bei uns Punkt für Punkt nachlesen.“

So groß die Aufregung der Opposition über die CSU ist: Auch ihr sind diese Methoden bestens bekannt. Wer am Montag die Zelte auf dem Gillamoos-Volksfest abklapperte, hörte nicht selten, wie die Politiker Söder oder Seehofer in den Mittelpunkt ihrer Reden stellten. Im negativen Kontext, versteht sich. Auf Facebook findet man noch heute die Seite „Horst Drehhofer“, erstellt 2013, die sich über „die Wendemanöver von Ministerpräsident Horst Seehofer“ lustig macht. Ein Klick auf das Impressum führt direkt zum Online-Auftritt der Bayern-SPD. Vor zwei Wochen erst besetzten die Sozialdemokraten die Seite „Söder macht’s“ – und zählen dort auf, warum dieser sich „zu Deutschlands unbeliebtestem Ministerpräsidenten gemacht“ habe. In Listenform.

Auch die FDP von Martin Zeil ist nicht zimperlich. Gestern verschickte sie ein Bild mit einem Wahlkampfplakat vor der CSU-Zentrale. Darauf steht in Anspielung auf Brexit, Trump und Erdogan: „Nur weil die Welt verrückt spielt, muss Bayern nicht mitmachen.“

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