Wagenknechts linkes Sammelsurium

von Redaktion

Holpriger Start für Sammlungsbewegung „Aufstehen“ – Keine Integrationsfigur – Kein ausgearbeitetes Programm

Berlin – So richtig rund läuft der Start der linken Sammlungsbewegung nicht. Initiatorin Sahra Wagenknecht handelt sich gestern als Allererstes eine deftige Rüge ein. Die Bundespressekonferenz, der Verein der Hauptstadtjournalisten, sieht es gar nicht gerne, wenn ihre Gäste vorher schon die wichtigsten Nachrichten per Interview verbreiten. Wagenknecht hat mit einem Auftritt in den ARD-„Tagesthemen“ gegen die Spielregeln verstoßen. Der Vorstand der Bundespressekonferenz erwog deswegen sogar eine kurzfristige Absage der Pressekonferenz – die schärfste Sanktion, die der Verein zur Verfügung hat.

Das ist aber nicht alles, was zum Start von „Aufstehen“ schiefläuft. Das Logo „#Aufstehen“ muss abgespeckt werden, weil die österreichische Kampagnenorganisation „#aufstehn“ sich über Verwechselungsgefahr beschwert hat. „Wir haben tatsächlich übersehen, dass es in Österreich eine solche Bewegung schon gab“, räumt Wagenknecht ein. Der Hashtag fällt jetzt weg. Was Wagenknecht wichtig ist, sagt sie vielleicht am deutlichsten mit diesem Satz: „Ich bin es leid, die Straße Pegida und den Rechten zu überlassen.“ Das ist der Ausgangspunkt der Sammlungsbewegung.

Die Idee: „Aufstehen“ will diejenigen nicht länger den Rechten überlassen, die sich von der Politik abgewendet haben. So soll wieder eine linke Mehrheit organisiert werden, die Wahlsiege einfahren und Regierungen bilden kann.

Die Erfinder: Die Idee der Sammlungsbewegung kommt von Wagenknecht und ihrem Mann Oskar Lafontaine, der früher mal Vorsitzender der Linken und noch früher SPD-Chef war. Vielen in der SPD gilt der Saarländer bis heute als Verräter. Nicht die besten Voraussetzungen für die Einigung der linken Kräfte in Deutschland. Auch Wagenknecht hat es bisher nicht geschafft, zu einer Integrationsfigur zu werden. Innerparteilich hat sie sich mit den Parteivorsitzenden – vor allem mit Katja Kipping – angelegt und die Linke mit ihrem harten Kurs in der Flüchtlingspolitik vor eine Zerreißprobe gestellt.

Die anderen Protagonisten: Lafontaine ist bei der Vorstellung der Bewegung nicht dabei. Stattdessen sitzen der frühere Grünen-Chef Ludger Volmer und die Flensburger SPD-Bürgermeisterin Simone Lange auf dem Podium. Volmer sieht sich selbst als „Noch-Grünen“, und Lange macht Front gegen die SPD-Spitze. Bei der Vorstandswahl im April trat sie gegen Andrea Nahles an und erzielte einen Achtungserfolg. Die beiden zählen also eher zur innerparteilichen Opposition.

Die Mitglieder: Um beizutreten, benötigt man ein Handy oder einen Computer sowie eine gute Minute Zeit. Unter aufstehen.de klickt man auf „Werde Teil der Bewegung“ und gibt Namen und E-Mail-Adresse an. Alle anderen Angaben sind freiwillig. In einem Monat – von Anfang August bis Dienstagmorgen – hat die Bewegung so 101 741 Mitglieder gesammelt.

Das Programm: Der Gründungsaufruf bietet bisher noch nicht viel mehr als Überschriften, die von Anhängern aller drei linken Parteien problemlos getragen werden können: Etwa Privatisierungen stoppen, exzellente Bildung für alle, mehr Unabhängigkeit von den USA. Michael Fischer

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