Chaos im Weißen Haus

„Er ist entgleist“

von Redaktion

von Friedemann Diederichs

Washington – Für Sarah Sanders, die Pressesprecherin von Donald Trump, ist das neue Buch „Fear“ („Angst“) des legendären US-Reporters Bob Woodward nichts anderes als ein Sammlung von „erfundenen Geschichten, viele davon von verärgerten früheren Mitarbeitern“. Doch für andere sind die in dem am 11. September offiziell erscheinenden Werk genannten Interna, zusammengetragen von dem Mann, der mit seinem Kollegen Carl Bernstein „Watergate“ enthüllte und einst Richard Nixon zu Fall brachte, ein erneuter Hinweis auf die Amtsunfähigkeit des US-Präsidenen. „Wenn nur zehn Prozent der von Woodward zitierten Vorfälle stimmen“, sagt beispielsweise der CNN-Analyst Van Jones, „sind wir in einem ganz gefährlichen Bereich“.

Schon die Einstiegsszene soll dramaturgisch perfekt die Brisanz der Präsidentschaft untermauern. Da befindet sich Gary Cohn, Trumps ehemaliger Chefberater für Wirtschaftsfragen, für einen Moment allein im „Oval Office“. Er sieht einen Brief auf dem Schreibtisch Trumps, den dieser unterschreiben soll. In ihm soll das Freihandelsabkommen mit Südkorea aufgekündigt werden. Cohn ist höchst besorgt, als er das liest. Denn er fürchtet: Ein solcher Schritt könne ein geheimes Programm in Südkorea gefährden, das es den USA erlauben soll, den Start einer nordkoreanischen Rakete nur Sekunden nach dem Abschuss zu entdecken. „Ich habe das Dokument von seinem Schreibtisch gestohlen“, soll Cohn später einem Mitarbeiter gesagt haben, der offenbar wiederum mit Woodward plauderte. Und Cohn soll angefügt haben: „Er wird dieses Dokument nie zu sehen bekommen. Ich muss dieses Land schützen“.

Wahrheit oder Fiktion? Woodwards Buch nennt bei den zahlreichen Beispielen für die Dysfunktionalität Trumps nur selten direkte Augen- oder Ohrenzeugen.

So wollte Trump dem Buch zufolge auch den syrischen Diktator Baschar Assad töten lassen. Nach einem Giftgasangriff auf Zivilisten im April 2017 habe der Präsident Verteidigungsminister James Mattis angerufen und den Kopf Assads gefordert – mit den Worten: „Lasst uns ihn verdammt nochmal töten. Lasst uns da reingehen. Lasst uns ganz viele von ihnen töten.“ Mattis soll Trump zugesagt haben, sich darum kümmern zu wollen. Dann habe er aufgelegt und zu einem Offizier gesagt: „Wir machen nichts von alledem.“

Was die Frage aufwirft, die Woodward nicht beantwortet: Hat Trump dann das Thema Assad-Anschlag nicht weiter verfolgt? Hat er Mattis für sein Nichthandeln abgemahnt? Der Verteidigungsminister soll nach dem Gespräch lediglich dem Nationalen Sicherheitsrat Optionen vorgelegt haben, die eine Tötung Assads nicht beinhalteten. Mattis erklärte dazu jetzt: Die Idee, dass er den Oberbefehlshaber Trump missachten würde, sei das Produkt einer blühenden Fantasie. Doch Woodward bestand auch gestern darauf, korrekt berichtet zu haben.

Das gilt auch für die brisanten Aussagen, die er Trumps Stabschef John Kelly zuschreibt – und die Kelly am Dienstag dementiert hat. Kelly soll zu Mitarbeitern nicht nur gesagt haben, dass Trump „verwirrt“ sei. Er soll außerdem ausgeführt haben: „Er ist ein Idiot. Es macht keinen Sinn, ihn von irgend etwas überzeugen zu wollen. Er ist entgleist.“

Hinzu kommt Woodwards Worten zufolge die Unfähigkeit Trumps, außenpolitisch und sicherheitspolitisch relevante Vorgänge zu begreifen. So soll der Präsident, der offenbar alles durch die Lupe eines Geschäftsmannes betrachtet, im Januar gefragt haben, warum die USA so viel Geld für Truppen in Südkorea ausgeben würden. Die Antwort von Mattis: „Wir tun das, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern“. Ein Vorgang, der Mattis später zu der Aussage animiert haben soll, Trump habe „die Auffassungsgabe eines Fünft- oder Sechstklässlers“.

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