Trump, Flüchtlinge und wachsende gesellschaftliche Spannungen infolge der Migration treiben den Deutschen die meisten Sorgenfalten ins Gesicht. Das sind die wenig überraschenden Ergebnisse der Angst-Studie, die eine große Versicherung jedes Jahr neu erhebt. „Überdurchschnittlich hoch“ sei in diesem Jahr die Beunruhigung der Bevölkerung, schreiben die Forscher. Aber das wusste die Nation ja schon vorher. Dazu hätte es auch Seehofers auftrumpfend klingendes Fazit nach Chemnitz, die Migrationsfrage sei die „Mutter aller Probleme“, nicht bedurft.
Auf einem Spitzenplatz deutscher Ängste landet die Sorge, dass die Politiker mit ihren Aufgaben überfordert sind. Sie übersteigt inzwischen sogar die Furcht vor Terror. Und sie ist ein Alarmzeichen: Die Bürger verlieren das Vertrauen in die Parteien und ihre Problemlösungskompetenz. Wen das angesichts der Berichte über behördliche Fehler im Umgang mit Zuwanderern, über den bitteren Asyl-Streit der Unionsschwestern und das Hickhack in der Großen Koalition überrascht, der muss blind und taub durch das Deutschland des Jahres 2018 gestolpert sein.
Alles nur typische „German Angst“, gemischt mit einer gehörigen Portion Fremdenfeindlichkeit, die die Grünen an jeder Straßenecke wittern? Es stimmt: Die Republik ist polarisiert wie nie. An die Stelle ernsthafter, lösungsorientierter Debatten ist eine Unkultur der Hysterisierung getreten, die von ganz links und ganz rechts befeuert wird und dem Land nicht guttut. Wer sich umblickt in der Welt, wird feststellen: Vieles ist nicht so schlecht bei uns, wie es von jenen gemacht wird, die daraus ihren Nutzen ziehen. Aber wahr ist eben auch, dass das politische System vor seiner bisher größten Bewährungsprobe steht. Die vernünftige Mitte schrumpft, das Wort führen Scharfmacher von beiden Enden des Spektrums. Die Asylpolitik seit 2015 hat das Land in zwei Lager geteilt wie keine andere politische Entscheidung der letzten Jahrzehnte. Diesen Spalt zu überbrücken durch eine Politik, die Menschlichkeit und zugleich Augenmaß wahrt, ist jetzt eine Gemeinschaftsaufgabe aller – all jener jedenfalls, denen daran liegt, den Grundkonsens wiederherzustellen, der dieses Land über Jahrzehnte hinweg zu einem Vorbild für die Welt gemacht hat. Angela Merkel, die einst als Präsidialkanzlerin die Mutter der Nation war, kann das selbst nicht mehr schaffen.
Georg Anastasiadis
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