CSU vor Wahlkampfstart

Gereizte Nerven im Umfrageloch

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Man kann nicht sagen, dass es nur ein Stirnrunzeln wäre. Horst Seehofer legt sein ganzes Gesicht in Falten, seine zerknautschteste Miene, als er die Frage beantworten soll, ob Markus Söder der Richtige sei. Er sagt dann etwas von „beherzt und geschlossen“, die Wortwahl kontrastiert mit der Mimik. Sich lobend über den Nachfolger zu äußern, fällt Seehofer noch sichtlich schwer.

Für fünf Wochen müssen sich die beiden, wohl die härtesten Parteifeinde der jüngeren Geschichte, arrangieren. In der heißen Wahlkampfphase sollen sie jetzt mehrfach gemeinsam auftreten, am Samstag auf dem CSU-Parteitag in München, später auch in Ingolstadt und erneut München. Nur mit Geschlossenheit finde die CSU aus dem 36-Prozent-Tief, raten Strategen.

Das wird Schauspielkunst erfordern. Vertraute der beiden schildern Missmut bis Misstrauen. Seehofer sieht seine Zweifel an Söders Landesvater-Kompetenz durch die Umfragen bestätigt. Söder ist schwer genervt von den Berliner Wortmeldungen zur Asylpolitik. Sie erstickten seine Landespolitik „wie ein Teppich“ – zuletzt die gequälte Debatte über Zitate des Bundesinnenministers („Migration als Mutter der Probleme“). Über „diese Wortwahl-Diskussionen, die wir führen“, klagt Söder am Montag auf dem Weg in die Parteivorstandssitzung. Seehofer lässt sich den Mund nicht verbieten. „Durch Schweigen“ löse man Sorgen nicht auf.

Dass das Kriegsbeil in der CSU nur verscharrt, doch nie begraben wurde, liegt an der Angst vor dem Wahlabend. Sollte die Partei so weit unter 40 Prozent fallen, wie es derzeit seriöse und halbseriöse Umfragen vorhersagen, drohen Rücktrittsforderungen. Ein harter Machtkampf – wieder zwischen Söder/Seehofer. Selbst alte Fahrensleute sind uneins, wie das ausgehen würde; wobei sich Groll intern derzeit stärker an Seehofer richtet.

Offiziell senden die Rivalen also vorerst Friedenssignale. Seehofer springt sogar so weit über seinen Schatten, dass er Söder namentlich als „unglaublich fleißig“ lobt und Einzelprojekte wie Asyl-Landesamt oder Pflegegeld hervorhebt; monatelang hatte er zu allen Ideen geschwiegen. Diesen Kurs müsse man halten, bekräftigen beide. Seehofer unterlässt auch eine andere Stichelei: Er spricht nicht mehr laut über sein für Söder aufgelegtes Wahlziel absolute Mehrheit. „Ich halte nach wie vor für möglich, dass wir gut und stark abschneiden“, sagt er nun auf jede Nachfrage.

Im Vorstand fordern mehrere, sich jetzt auf Landespolitik zu konzentrieren. „Rückenwind aus Berlin haben wir nicht“, wird Ex-Parteichef Erwin Huber zitiert. „Wenn wir die nächsten fünf Wochen kein weiteres Störfeuer bekämen, wäre es schon schön.“ Stattdessen dürften die CSU-Bundestagsabgeordneten beim Streit ums Familiengeld gern endlich mal Bayerns Position unterstützen.

Söder plant bis zur Wahl weitere Schwerpunkt-Sitzungen seines Kabinetts, heute zu Schule, demnächst zu Gesundheit (mit Bundesminister Jens Spahn) und Verkehr. Einen neuen üppigen Katalog an Versprechen legt er nicht vor, weder im Wahlprogramm noch in seiner Regierungserklärung am 27. September. Das Wahlprogramm – Stichpunkte, die bis Freitag ausformuliert werden – soll Söders bisherige Pläne bündeln, verstärkt durch wenige Bundes-Aspekte wie die Entlastung der Normalverdiener und den Soli-Abbau. In der Asylpolitik will er stärker über Erfolge reden: sinkende Zahlen, schnellere Verfahren. Söder schärft zudem die Abgrenzung von der AfD nach. Sie stehe als Höcke-Partei nicht für Protest, sondern wolle das demokratische System stürzen und gefährde Bayerns Zukunft.

In welche Richtung es für die CSU geht, wird schon der Mittwoch andeuten. Da erscheint der neue „Bayerntrend“ des BR, die zentrale (seriöse) Umfrage der Landespolitik. Söder baut schon vor, verlangt von den Parteifreunden Kampfgeist, mehr Optimismus, weniger Hektik und den Verzicht auf „komische Spekulationen“ über Koalitionen. Der Spitzenkandidat bittet: „Man muss Umfragen nicht ignorieren, aber sollte nicht hyperventilieren.“

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