Juncker: EU „weltpolitikfähig“ machen

Erst die Hausaufgaben

von Redaktion

Es ist eine paradoxe europäische Realität, in der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Rede zur Lage der Union im Jahr 2018 hält. Laut Umfragen sehen einerseits zwei Drittel der EU-Bürger und 75 Prozent der Deutschen die EU positiv. Andererseits haben sich die Feinde des Staatenbundes mittlerweile in zahlreichen Ländern bis auf Regierungsebene hochgekämpft und bedrohen die Union von innen. Bevor Europa also „weltpolitikfähig“ werden kann, wie Juncker es fordert, muss es diesen tiefen inneren Konflikt, diese drohende neue Fragmentierung stoppen, die nicht nur, aber vor allem, von der Migrationsfrage befeuert wird. Nur wenn Europa wieder zur Einigungsfähigkeit, zur Kunst des Kompromisses zurückfindet, wird es handlungsfähig sein und global ernst genommen werden.

Dazu gehört auch, dass Mitgliedstaaten die Grundlagen der EU, die Spielregeln einer liberalen, parlamentarischen Demokratie mit dem Modell der Gewaltenteilung nicht einfach unterlaufen oder ignorieren dürfen. Die gestrige Entscheidung des EU-Parlaments, gegen Ungarn wie zuvor schon gegen Polen ein Sanktionsverfahren einzuleiten, war vor diesem Hintergrund längst überfällig. Wer Werte in alle Welt exportieren will, darf sie zuhause nicht vernachlässigen.

Junckers letzte große Grundsatzrede war nicht nur eine Liebeserklärung an Europa. Der Altgediente nahm das große Ganze in den Blick. Viele seiner Visionen – etwa die Verteidigungsunion oder die Freihandelszone mit Afrika – sind Zukunftsmusik. Realisieren müssen sie Jüngere.

Alexander Weber

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