Straßburg – Angesichts globaler Krisen und dem wachsenden Einfluss rechter Kräfte hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vehement für mehr europäische Souveränität plädiert. „Die Welt von heute braucht ein starkes und geeintes Europa“, sagte Juncker gestern bei seiner Rede zur Lage der Union. Der Zwang zu einstimmigen Entscheidungen müsse aufgehoben werden, um die EU handlungsfähiger zu machen. Europa müsse Weltpolitikfähig werden, so Juncker.
Vor der schicksalsträchtigen Europawahl Ende Mai erhielt der Luxemburger jedoch vor allem von Rechts und Rechtsaußen harsche Kritik. Juncker habe in keiner Weise erkannt, dass es einen politischen Aufstand gebe, der alle Länder betreffe, meinte beispielsweise der ehemalige Chef der EU-feindlichen britischen Ukip-Partei, Nigel Farage.
Rechte und rechtsradikale Parteien hatten zuletzt in Europa einige Erfolge verzeichnet. Bei den Wahlen in Schweden erreichten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten mit über 17 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis in ihrer Geschichte. Unter anderem in Österreich, Italien und Ungarn sind rechte und fremdenfeindliche Parteien mittlerweile in den Regierungen.
Der Erste Weltkrieg habe Europa damals völlig unerwartet getroffen, sagte Juncker. „Ich spreche nicht davon, weil ich denke, dass wir an der Schwelle eines neuen Krieges stehen.“ Man müsse jedoch wachsam bleiben. „Sagen wir „ja“ zu einem Patriotismus, der sich nicht gegen andere richtet.“ Nationalismus, mit dem Hass gesät werde, und der nur nach Schuldigen suche, ermögliche kein besseres Zusammenleben. „Die EU ist ein Garant des Friedens.“
Um die Handlungsfähigkeit der Union zu sichern und den Bürgern vor allem vor der Europawahl Ergebnisse präsentieren zu können, forderte Juncker, die EU-Staaten sollten weniger Entscheidungen einstimmig treffen müssen. Bislang gilt das Einstimmigkeitsprinzip etwa bei der Außen- und Sicherheitspolitik oder bei Steuerfragen.
Bei seiner womöglich letzten großen Rede im Europaparlament rief Juncker auch bei Grünen, Liberalen und Linken gemischte Reaktionen hervor. Die Amtszeit der EU-Kommission endet im kommenden Jahr, um die Nachfolge als Behördenchef bewirbt sich derzeit unter anderem der führende CSU-Europapolitiker und Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber.