Algier – Angela Merkel zieht im Mädchengymnasium „Aicha Oum el Mouminine“ bestens gelaunt von Klassenzimmer zu Klassenzimmer. Sie hat viel Zeit mitgebracht, ihr Flugzeug ist früher als geplant zum Kurzbesuch in Algier gelandet. Die Physikerin Merkel will am Montag natürlich eine Physikstunde sehen, auch der Erdkundeunterricht wird der Kanzlerin gezeigt. Zum Schluss ist auch noch die Deutschstunde dran.
Merkel liebt den Austausch mit Schülern bei ihren Auslandsreisen. Es ist auch diesmal wieder eine Art Auszeit für die Kanzlerin vom mühseligen Berliner Politikgeschäft. Nachdem ihre vierte Regierung wegen des Streits mit Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer über ihre Migrationspolitik im Frühsommer auf der Kippe stand, geht es bei der aktuellen Regierungskrise um den obersten Verfassungsschützer, Hans-Georg Maaßen. Steht Merkel schon wieder vor dem Aus?
Gerade als die Kanzlerin durch das Mädchengymnasium zieht, wirbelt in Berlin die Meldung die Öffentlichkeit auf, die Kanzlerin sei der Auffassung, Behördenleiter Maaßen sei nicht mehr tragbar, weil er sich in die Tagespolitik eingemischt habe. Merkel habe sich entschieden, der BfV-Präsident müsse gehen, schreibt die „Welt“ unter Berufung auf Koalitionskreise.
Eine Bestätigung dafür gibt es an diesem Tag nicht, schon gar nicht von Merkel. Auf eine Reporterfrage sagt sie nach einem Treffen mit dem algerischen Premierminister Ahmed Ouyahia kurz und bündig: Sie könne nur sagen, „dass das, was ich Freitag bereits gesagt habe, weiterhin Gültigkeit hat. Und dem nichts hinzuzufügen ist.“ Merkel hatte sich am Freitag zuversichtlich geäußert, dass es im Streit über Maaßen eine Lösung geben werde.
Heute Mittag will sie erneut mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) und SPD-Chefin Andrea Nahles nach einer Lösung suchen – wer weiß, ob das tatsächlich klappt und nicht noch weitere Verhandlungsrunden nötig werden.
Zurück nach Algier. Als im fernen Berlin die Krise weiter hochkocht, lässt sich Merkel seelenruhig von den Schülerinnen der deutsch-algerischen Partnerschaftsschule den Unterricht vorführen. Etwa 700 junge Frauen lernen hier, ihr Gymnasium gehört seit 2014 zu jener Handvoll Schulen in Algerien, die an der vor zehn Jahren vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufenen Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ teilnehmen. Besonders interessant ist natürlich für Merkel die Deutsch-Stunde – 25 Schülerinnen lernen hier. Bikra (18) und Rania (17) waren schon zum Sprachkurs in Deutschland, die jungen Frauen zeigen Merkel stolz ein Spiel auf ihren Tablet-Computern, bei dem es darum geht, die Hauptstädte von Bundesländern zu bestimmen.
Klar, es ist Zufall, dass es ausgerechnet um Bayern und Sachsen geht, als Merkel sich strahlend zu den Mädchen gesetzt hat und wissen will, wie denn die dortigen Hauptstädte heißen. Ob sie dabei an CSU-Chef Seehofer gedacht hat, der ihr immer wieder mit Kritik an der Migrationspolitik das Leben schwer macht? Oder an Chemnitz, wo die Ausschreitungen waren, die jetzt eine zentrale Rolle im Ringen um Maaßens Zukunft spielen? Merkel denkt wohl auch nicht an beide, als sie am nächsten Tisch über die schwierige deutsche Grammatik redet. „Ich werde geblieben sein“, oder „Ich wäre gerne geblieben, wenn ich nicht weg müsste“ – solche Sätze könnten ja sogar manche Deutsche nicht, zeigt sie Mitleid mit den jungen Mädchen in der Klasse.
Ihr Treffen mit dem greisen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika ist später dagegen so etwas wie Regierungsalltag. Er ist für sie ein Symbol der Stabilität in Algerien und auch in Nordafrika. Die Kanzlerin will den schwer kranken 81-Jährigen stützen, er denkt gerade über eine fünfte Amtszeit nach, trotz seiner Gebrechen. Bei Algerien müsse man jeden Tag dankbar sein, wenn es in dem Land einigermaßen stabil zugehe, glauben sie im Kanzleramt. Und auch bei Bouteflika geht es wieder um das Schicksalsthema für Merkel: die Migration.