Berlin – Es gibt offenbar spezielle Bedingungen in der katholischen Kirche, die sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche begünstigten. Schon Papst Franziskus hatte erklärt, „zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen“. Damit formulierte er eine klare Absage an eine Haltung, die von einer unantastbaren Position von Geistlichen ausgeht.
Die Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche, die am Dienstag in Fulda vorgestellt werden soll, kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Neben Klerikalismus haben die Forscher die Ehelosigkeit der Priester sowie die Einstellung der Kirche zur Homosexualität in den Blick genommen. Ihr Fazit: Zwar stellen weder Homosexualität noch der Zölibat an sich Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen dar. Die Einstellung der Kirche zur Homosexualität sowie die Ehelosigkeit bergen demnach trotzdem Probleme.
So könne die Verpflichtung zu einem zölibatären Leben Priesteramtskandidaten mit „einer unreifen und abgewehrten homosexuellen Neigung als Lösung innerpsychischer Probleme scheinen“, heißt es in der Studie. Diese bringe zusätzlich sogar die Aussicht auf ein enges Zusammenleben ausschließlich mit Männern zumindest während der Priesterausbildung. Besondere Strukturen und Regeln der katholischen Kirche könnten ein „hohes Anziehungspotential für Personen mit einer unreifen homosexuellen Neigung haben“.
Weil die Kirche homosexuelle Beziehungen oder Praktiken offiziell ablehne, bestehe die Gefahr, dass entsprechende Neigungen versteckt gelebt werden müssten. Und wörtlich: „Bei entsprechender Disposition eines Priesteramtskandidaten oder Priesters könnte ein komplexes Zusammenspiel von sexueller Unreife, abgewehrten oder verleugneten homosexuellen Neigungen in einer ambivalenten, teilweise auch offen homophoben Umgebung im Falle ungünstiger Risikokonstellationen die Schranke zu sexuellen Handlungen mit männlichen Kindern und Jugendlichen herabsetzen“. Dies böte, so die Wissenschaftler, eine weitere Erklärung für das Überwiegen männlicher Betroffener beim sexuellen Missbrauch durch Geistliche. kna