Salzburg – Ein sehr guter Gesprächspartner sei Ägypten. Die EU-Staaten sollten das doch bitte schön anerkennen und dankbar für die ägyptische Effizienz sein. Mit Lob für das nordafrikanische Land – das mit harter Hand autokratisch regiert wird – sparte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz beim EU-Gipfel in Salzburg nicht. Ägypten soll der EU künftig Migranten vom Hals halten. Man habe sich darauf verständigt, „die Gespräche zu vertiefen“, sagte Kurz, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, gestern in Salzburg. Er verkaufte das als „weiteren Schritt im Kampf gegen illegale Migration“, vor allem gegen Schlepperbanden. Insgesamt ist die Zahl der in Europa ankommenden Migranten ohnehin schon deutlich gesunken.
Auch mit anderen Ländern der Region soll die Zusammenarbeit forciert werden. Dabei soll nicht nur über Migration, sondern auch über wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die EU-Staaten seien sich einig, den Dialog mit Ägypten, aber auch mit Tunesien, Marokko sowie Libyen zu intensivieren. Ihr zufolge strebt die EU Flüchtlingsabkommen mit den Staaten an, wie sie sie ähnlich schon mit der Türkei geschlossen hat.
Bekommt die im Juni beschlossene Verschärfung der Migrationspolitik nun also Farbe? Könnten aus Seenot gerettete Migranten künftig nach Ägypten gebracht, könnte dort über ihre Schutzbedürftigkeit entschieden werden? Seit Monaten findet die EU keinen nordafrikanischen Staat, der bereit ist, eine sogenannte Anlandeplattform für Migranten einzurichten. Wie diese Plattformen aussehen könnten, ist ohnehin völlig unklar. Ägypten signalisiert nun zumindest Gesprächsbereitschaft.
Redebedarf besteht auch bei einem anderen brandheißen Thema: dem Brexit. Die EU will den Zeitdruck bei den Verhandlungen hoch halten und einen Durchbruch bis Mitte Oktober erzielen. Damit wurde die Entscheidung über einen möglichen Sondergipfel Mitte November vertagt. Bei den Knackpunkten des britischen EU-Austritts zeichnete sich keine Lösung ab.
Verhandelt wird über ein Abkommen, das den für 2019 beschlossenen Brexit regeln und eine Übergangsfrist bis Ende 2020 festlegen soll. Haupthindernis ist derzeit die Frage, wie eine feste Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden kann. Gestritten wird zudem über britische Vorschläge für die langfristigen Wirtschaftsbeziehungen und eine Zollpartnerschaft.
Premierministerin Theresa May sagte in Salzburg, die britische Regierung werde demnächst einen neuen Vorschlag zur Lösung der Irlandfrage vorlegen. Sie lehnte den Vorschlag der EU-Kommission, Nordirland solle im Notfall Teil der Zollunion bleiben, erneut ab. Zudem verteidigte May ihren Brexit-Plan, wonach Großbritannien für Waren weiterhin ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt haben soll, nicht aber für Dienstleistungen. Die Freizügigkeit für Personen soll nach dem Willen Londons enden. Dagegen äußerte nicht nur EU-Ratschef Donald Tusk erneut Vorbehalte. Auch Merkel sagte: „Es gibt noch ein großes Stück Arbeit im Zusammenhang mit der Frage, wie sehen die zukünftigen Handelsbeziehungen aus.“ Es seien sich alle einig gewesen, dass es in Sachen Binnenmarkt keine Kompromisse geben könne.