Die Große Koalition am Rande des Nervenzusammenbruchs schleppt sich in den Herbst, und es gibt nur eine einzige Hoffnung, die sie im Moment am Leben hält: Es ist die Hoffnung auf den 14. Oktober, auf eine krachende Niederlage der CSU – und auf den Sturz Seehofers. Der ist, leider, bis heute nicht in der Rolle des Bundesinnenministers angekommen, und als Berliner Guerillakämpfer gegen die Kanzlerin ist er für die umfragegebeutelte Söder-CSU zum größten anzunehmenden Risiko geworden.
Dennoch könnte sich die Hoffnung auf neue großkoalitionäre Flitterwochen ab Herbst als trügerisch erweisen. Denn das Thema Seehofer überlagert nur die andere große Schwäche dieser GroKo: Das ist die in ihrer Autorität beschädigte Kanzlerin, die nur noch eine Hälfte ihres Volkes hinter sich bringt. Nicht mal einen außer Rand und Band geratenen Verfassungsschutzpräsidenten kann sie einigermaßen geräuschlos entsorgen. Egal ob sie die Schließung der Balkanroute lobt, egal ob sie Orban Dank zollt für die Sicherung der EU-Außengrenze, egal was sie tut, um ihre Willkommenspolitik des Jahres 2015 vergessen zu machen: Ihren Gegnern wird es nie genug sein.
Merkels Schwäche ist der Elefant, der im Raum steht, während alle aufgeregt um Seehofer rotieren. Gleich ob dieser nach der Bayernwahl stürzt (und durch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ersetzt wird) oder, was derzeit schwer vorstellbar ist, überlebt – das andere Problem bleibt, sollte die Kanzlerin nicht die Chance nutzen und nächstes Jahr in eine europäische Funktion wechseln. Schon die Europawahl im Mai dürfte die GroKo-Fieberkurve wieder steil steigen lassen, schließlich droht CDU, CSU und SPD dort die nächste Katastrophe. Alle drei Vorsitzenden sind Parteichefs auf Abruf: Andrea Nahles ist SPD-Chefin von Kühnerts Gnaden, Seehofer von Söders. Und der Kanzlerin sitzt Jens Spahn im Nacken, der für die Konservativen in der Union so etwas wie eine Verheißung für die Zukunft ist. Angela Merkel hat das Land polarisiert, und sie findet, so sehr sie sich auch müht, kein Mittel, es wieder zu versöhnen. Wie die Große Koalition da je wieder in den Arbeitsmodus wechseln will, bleibt ein Rätsel.
Georg Anastasiadis
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