München – Politik ist wie Theater. Manchmal großartig inszeniert, manchmal leicht durchschaubar – und manchmal wartet das Publikum nur darauf, dass das Schmierenstück endlich vorbei ist. Die bayerische Spitzenkandidatin Natascha Kohnen hat die Bundesvorsitzende Andrea Nahles schon am Morgen überaus freudig begrüßt. Und auch als die beiden nach gemeinsamer Sitzung mittags vor die Kameras treten, tun sie so, als sei nichts gewesen. Eine Viertelstunde lang geht es um Wohnen und Kitaplätze. Herzthemen der SPD, die an diesem Tag aber leider niemanden interessieren.
Denn zwischen den Bayern und dem Besuch aus Berlin hängt der Haussegen schief. Die Beförderung von Hans-Georg Maaßen – eigentlich eine Entscheidung von CSU-Chef Horst Seehofer – hat einen tiefen Keil in die SPD getrieben. Am Mittwoch hat Kohnen einen erbosten Brief geschrieben. Und anders als vor der Presse geht es tags darauf intern deshalb auch gleich zur Sache. Die erste Stunde der zweistündigen Zusammenkunft dreht sich allein um den Koalitionsgipfel vom Dienstagabend. Die umstrittene Personalie droht der ohnehin kriselnden Bayern-SPD endgültig die Landtagswahl am 14. Oktober zu verhageln. Freundlich, aber sehr ernst sei die Stimmung gewesen, beschreibt es ein Teilnehmer. Die Berliner hätten klargemacht, man drüfte die Regierung gerade angesichts der Bedrohung durch Rechtspopulisten nicht gefährden. Die Münchner artikulierten dagegen den massiven Ärger an der Basis über die Beförderung des Verfassungsschutzpräsidenten.
Hellhörig werden die Gäste erst, als sich auch die Konservativen der Bayern-SPD sehr kritisch zu Wort melden – nicht zuletzt Markus Rinderspacher. Der Fraktionschef im Landtag stellt sich selbst als „königlich-bayerischer Sozialdemokrat“ vor, der ja immer zu den GroKo-Verfechtern gehört habe. Er wirft den Berlinern mangelnde Professionalität vor. Schwere handwerkliche Fehler. Dieses Vorgehen habe der SPD unglaublich geschadet.
Ähnliches ist auch aus anderen Landesteilen zu hören. Nahles hätte niemals zustimmen dürfen, heißt es da. Wäre sie nach dem Treffen mit Seehofers Personalplänen an die Öffentlichkeit gegangen, hätte jetzt die CSU die Debatte am Hals. In der Bayern-SPD verweist man darauf, wie angeschlagen der CSU-Chef sei. Vielleicht hätte man die Entscheidung bis nach der Bayernwahl verschleppen können, um dann mit einem neuen CSU-Innenminister eine pragmatischere Lösung zu finden, heißt es.
Nun ist es zu spät. Während aus der CSU, wo in der Parteizentrale natürlich ebenfalls Proteste eingehen, kein kritisches Wort über Seehofer kommt, ist die Debatte in der SPD voll entbrannt. Seehofer, der alte Hase, hat Nahles ausgetrickst. Ob das der CSU hilft, darf bezweifelt werden. Sicher ist aber: Es schadet der SPD. „Ich habe gestern nicht den Eindruck gehabt, dass Herr Seehofer – außer an sich selbst – an viel gedacht hat, als er seine Pressekonferenz gegeben hat“, sagt Nahles genervt, als sie vor der Presse schließlich doch öffentlich Stellung nehmen muss.
Am Montag will sie über das weitere Vorgehen im Parteivorstand sprechen. Das sei der richtige Ort für diese Debatten. Die Genossen haben also noch ein paar Tage Zeit, sich öffentlich zu zerlegen. Nahles versucht, den Spagat des Dienstagabends zu beschreiben: hier die Maaßen-Beförderung, die sie für falsch halte. Dort das Ende der Koalition, an dem keiner Interesse haben dürfe. „Da habe ich natürlich eine Entscheidung getroffen“, sagt Nahles. Und die werde sie im Parteivorstand auch verteidigen.
Am Dissens mit Kohnen und den Bayern hat der Besuch nichts geändert. Darüber täuscht auch das freundliche Lächeln nicht hinweg. „Wir haben unterschiedliche Ansichten über diese Entscheidung. Die stehen im Raum“, sagt die Bayerin, die im Bund immerhin Stellvertreterin von Nahles ist. Als die Bundesvorsitzende die Pressekonferenz quasi schon beendet hat, ergreift Kohnen zur Sicherheit noch einmal das Wort. „Meine Haltung dazu kennen Sie“, ruft sie den Journalisten zu. „Und die steht.“