samstagsKolumne

An ihrem Deutsch könnt ihr sie erkennen

von Redaktion

Was Menschen bewegt, erfahren wir durch ihre Sprache. Joseph von Eichendorff beginnt seine Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ mit dem Satz: „Das Rad an meines Vaters Mühle rauschte und brauste.“ Das führt direkt in seine Welt der romantisch brausenden Liebe und ewigen Sehnsucht. Hätte Eichendorff geschrieben: „Das Rad an meines Vaters Mühle drehte sich“, wäre es nur ein verständlicher, aber langweiliger Alltagssatz.

Die aufgeblähte Sprache dagegen, mit der wir täglich aus Politik und Wirtschaft und von manchen Journalisten überschüttet werden, ist oft nicht einmal verständlich. Unklare Formulierungen sind wohl so etwas wie ein dringend gebotener Selbstschutz in einer Welt, in der doch niemand mehr ein Risiko eingehen möchte. Wer nämlich klar und verständlich spricht, der legt sich fest. Wer schwadroniert, kann sich später damit herausreden, falsch verstanden worden zu sein. Und wir erleben ja ständig, dass Menschen, die Verantwortung tragen in unserem Land, falsch verstanden wurden.

Ein besonderer Reichtum ist die Bildhaftigkeit unserer Sprache. Wenn Goethe sagt: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew’ge Krankheit fort…“, dann verstehen wir sofort, was gemeint ist. Ebenso bringt Bismarck alle Schwächen und die Stärke Preußens auf den Punkt, wenn er sagt: „Preußen ist wie eine neue Wolljacke; es kratzt ein bisschen, hält aber warm“.

In der Politik aber geraten Sprachbilder schon mal durcheinander. So konnte ein Minister wie weiland Franz Müntefering sagen: „Wir stehen kurz davor, dass die Kostenlawine auf eine Explosion zurollt.“

Unsäglich ist das Sprachbild vom „Draufsatteln“, wenn es um neue Gesetze und Vorhaben geht. Im Übermaß werden sie ja laufend wie am Fließband produziert. Aber bevor sie in Kraft treten, fordern Politiker und Kommentatoren, dass auf dieses oder jenes Vorhaben noch etwas „draufgesattelt“ wird.

Hat bei uns jemand eine Aufgabe übernommen oder sich bereitgefunden, ein Problem zu lösen, dann heißt es sofort: „Der (oder die) muss jetzt liefern“. Ob „Draufsatteln“ oder „Liefern“, es sind schiefe Sprachbilder und es ist die Sprache von Menschen ohne Seele. Dahinter steht der Machbarkeitswahn unserer Zeit, der Irrglaube, dass sich alles machen und regeln lässt. Wer so redet, vergisst, dass Politik und alles Handeln immer nur die Kunst des Möglichen ist. Zum guten Gelingen gehören Glück und Segen von oben.

Von Shakespeare können wir lernen, wie die Sprache einer Thronrede den Redner entlarvt. König Claudius beginnt: „Wiewohl von Hamlets Tod, des werten Bruders, noch das Gedächtnis frisch…; hat soweit Urteil die Natur bekämpft, dass wir mit weisem Kummer sein gedenken – zugleich mit der Erinn’rung an uns selbst.“

Kein Zweifel, dieser König ist ein Egoist und dass er später als Brudermörder entdeckt wird, kann den nicht wundern, der gut zugehört hat. Auch heute verrät die Sprache viel über einen Redner und wes Geistes Kind er ist.

Schreiben Sie an:

ippen@ovb.net

Wie ich es sehe

Artikel 2 von 11