Zumindest am Freitagabend durfte sich die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen als Siegerin fühlen. Mit ihrem höchst ungewöhnlichen Vorgehen, als Bundesvize ihrer Chefin in der Causa Maaßen öffentlich die Gefolgschaft zu verweigern, dürfte Kohnen die Beförderung des Verfassungsschutz-Präsidenten verhindert haben. Unter enormem Druck zog Andrea Nahles am Freitag die Reißleine. Es dauerte nur Minuten, bis Angela Merkel und Horst Seehofer Gesprächsbereitschaft signalisierten.
Nein, man kann nicht behaupten, die Regierung würde ein glückliches Bild abgeben. Am Donnerstag hatte Nahles noch erklärt, sie habe in der Gesamtabwägung die unselige Maaßen-Personalie schlucken müssen – und stehe dazu. Die Stimmung in ihrer Partei hatte sie massiv unterschätzt. Aber immerhin: In der SPD finden noch parteinterne Debatten statt, während in der CSU zwar alle die Augen über Horst Seehofer verdrehten – aber keiner den Mut fand, das eigenwillige Agieren des Parteichefs offen anzusprechen. Und Merkel? Die ließ sich erst von Seehofer eine falsche Personalentscheidung aufdrücken, die Nahles dann wieder einkassierte. Die Kanzlerin wirkt trotz ihrer Richtlinienkompetenz nur noch wie eine Getriebene.
Gerade angesichts dieses Chaos ist es wichtig, die Dinge nüchtern einzuordnen und abzuwägen. Erstens: Ja, die Koalitionschefs haben am Dienstag eine falsche Entscheidung getroffen. Zweitens: Es ist richtig, nun über seinen Schatten zu springen und diese Entscheidung zu revidieren. Aber drittens: Der Dienstgrad des Beamten Hans-Georg Maaßen sollte nicht über den Fortbestand einer Bundesregierung entscheiden. Dennoch muss die Posse den Beteiligten eine Lehre sein – vor allem dem unberechenbaren Spieler Horst Seehofer, der nach Asylaufstand und Rücktritt-Rücktritt nun die SPD zu düpieren versuchte. Letzteres ist zwar gelungen, den Schaden aber tragen letztlich alle Koalitionsparteien. Die Beziehung Merkel/Seehofer ist schon lange zerrüttet. Nun auch das Verhältnis Nahles/Seehofer. Wollen die drei Parteien wirklich noch drei Jahre weiterregieren, müssen sie ihren Umgang miteinander hinterfragen. Es braucht einen Neuanfang.
Mike Schier
Sie erreichen den Autor unter
Mike.Schier@ovb.net