München – Die beiden Parteifreunde stehen scheinbar sehr einträchtig nebeneinander vor den Kameras. Erst ein Stoßseufzer von Markus Söder offenbart die gespannte Stimmung. „Es wär’ jetzt an der Zeit, dass aus Berlin mal gute Signale kommen“, sagt der wahlkämpfende Ministerpräsident. Wieder sorgt die Bundespolitik für Unruhe im Wahlkampf – diesmal in Gestalt des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer.
Am Dienstag besucht Scheuer Söders Kabinett, in der Aktenmappe eigentlich ein paar sorgsam orchestrierte gute Botschaften für Bayern. All das wird überdeckt vom Aufflammen der Diesel-Debatte. Am Morgen macht ein „Handelsblatt“-Bericht mit Interna aus einem Auto-Gipfel vom Sonntag im Kanzleramt die Runde. Demnach hat Scheuer erstmals ein Konzept für die Hardware-Nachrüstung deutscher Diesel vorgelegt. Haken daran: Die Autobesitzer sollen für den nachträglichen Einbau von Stickoxidfiltern bis zu 600 Euro mitzahlen, die übrigen rund 2400 Euro sollen die Händler übernehmen.
Richtig glücklich ist in der CSU damit niemand. Scheuer legt seine Priorität auf die Rücknahme betroffener Fahrzeuge oder auf günstige Umtausch-Angebote. Auf die Nachrüstung dringt vor allem die SPD in der Bundesregierung; der Minister musste nun halt mal einen Vorschlag in die Debatte einbringen. Für Söder kommt völlig ungelegen, dass Dieselfahrer mitzahlen sollen. Er habe das intern sehr deutlich gemacht und sei dabei gerade noch höflich geblieben, berichten Teilnehmer der Kabinettssitzung. Ihm sei „ganz wichtig“, dass die Kunden da nicht zur Kasse gebeten werden, sagt er selbst. Söder will weder die Kunden noch den Steuerzahler belastet sehen. Er klagt über „Verunsicherung in der öffentlichen Debatte“. Die Staatsregierung wollte mit ihrer Sitzung eigentlich das Signal senden, dass die Luftreinhaltung vorankomme. In München gebe es „die klare Tendenz eines deutlichen Schadstoffrückgangs“.
Scheuer soll nun in den nächsten Tagen mit den Konzernen über Prämien und Zuschüsse weiterverhandeln. Am Montag soll der Koalitionsausschuss dann einen Weg beschließen.
Was an diesem Tag etwas unterzugehen droht: Scheuer hat für die Staatsregierung ein kompliziertes, aber lohnendes Mitbringsel dabei, knapp vor der Wahl. Der Bund verzichtet beim Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke auf die Vorfinanzierung Bayerns. Der Freistaat hatte sich bereit erklärt, eine Milliarde Euro vorzustrecken – dieses Geld kann nun früher für andere Verkehrsprojekte in Bayern eingesetzt werden. Söder betonte, man sei bisher im Zeitplan und im Kostenrahmen.
Scheuer hat außerdem mehrere Bahn-Projekte im Bundesverkehrswegeplan in den „vordringlichen Bedarf“ hochgestuft. Der vollständig zweigleisige Ausbau von München über Mühldorf nach Freilassing könnte nun eher kommen, also die seit Jahrzehnten quälend lang diskutierte Anbindung des Chemiedreiecks. Die Strecke zwischen Landshut und Plattling lässt der Niederbayer Scheuer ebenfalls schneller ausbauen, zudem die Bahnstrecke von Nürnberg nach Prag beschleunigen. Der Bund zahlt außerdem eine Machbarkeitsstudie für den Bau von Seilbahnen für Pendler in München, ein Herzensprojekt der bayerischen Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU).
Scheuer stellt sich zudem hinter den Söder-Plan, langfristig 365-Euro-Jahrestickets („ein Euro am Tag“) in den Städten München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Würzburg einzuführen. Er deutete an, dass der Bund hier womöglich mitzahle.
Christian Deutschländer