München – Die Runde ist nervös, das ist ein gutes Zeichen. Der Freie Wähler Hubert Aiwanger räuspert sich häufig, Martin Hagen (FDP) greift zum Wasserglas, Natascha Kohnen (SPD) bemüht sich um eine tiefe, seriöse Stimme. Und manchmal reden sie alle durcheinander. Nein, keine langweilige Laberrunde der Dritten bis Siebten in Bayerns Polit-Landschaft – sondern ein recht bissiger Wettstreit der kleineren Parteien. „Hamm’se leider nicht richtig zugehört“, faucht Ates Gürpinar (Linke) schon nach zehn Minuten.
Doch, zuhören lohnt sich. Der „Fünfkampf“ am Freitagabend im BR ist jetzt das x-te Duell, geschuldet auch dem Versuch des Senders, das Jammern der kleineren Parteien zu dämmen, die nicht beim großen Duell mit Ministerpräsident Söder mitmachen durften. Dass Links- und Rechtsaußen mitdiskutieren, bildet die letzte „Bayerntrend“-Umfrage nach, die ein unübersichtliches Sieben-Parteien-Parlament prophezeit. Die Runde, von Ursula Heller und Christian Nitsche vor allem in der ersten Hälfte souverän moderiert, bringt aber durchaus Erkenntnisgewinn.
Strikt nach Themen ist der Fünfkampf geordnet. Wohnen: Kohnen, SPD, wirbt für eine Wohnbauoffensive des Staates. Aiwanger verlangt Initiativen gegen Leerstand im ländlichen Raum, in München könne man noch so viele Wohnungen bauen, „Sie werden da immer hinterherhecheln“. Der Liberale Hagen rät zu viel mehr Neubau, über die Steuerpolitik unterstützt, und kritisiert eine hohe Fehlbelegerquote in Sozialwohnungen. Gürpinar weicht der konkreten Nachfrage, ob seine Linke Enteignungen etwa bei ungenutzten Wohnungen wolle, mehrfach aus. Er betont aber, die Situation in München sei „krass“: „9000 Wohnungslose in München, 1000 Stück werden’s jedes Jahr mehr.“ Für ruppige Momente in der Runde sorgt der AfD-Landesvorsitzende Martin Sichert, als er als ein Konzept gegen Wohnungsnot konsequentere Abschiebung fordert. Und beklagt: „Um irgendwelche Asylbewerberheime aus dem Boden zu stampfen“, sei alles Geld da. „Absurd und menschenverachtend“, nennt Kohnen das.
Auch bei der Bildung werden unterschiedliche Konzepte klar. Aiwanger fordert die Erhöhung der Lehrer-Einstiegsgehälter an Grund- und Mittelschulen auf A13 und eine Bestandsgarantie auch kleinster Schulen. Kohnen streitet gegen Befristungen. Hagen wirbt auch für Quereinsteiger und mehr Eigenverantwortungen der Schulen. AfD-Mann Sichert klagt, der Beamtenstatus bei Lehrern sei ein „Hemmnis“ für die Motivation. Aiwanger erklärt ihm dann das mit dem Streikrecht.
Nicht in jedem Politikfeld ist die Konstellation erhellend. Manchmal wird’s speziell, wenn Hagen nach dem Aus der Sargpflicht gefragt wird („Der Staat reguliert uns über den Tod hinaus“), Aiwanger über „wintergrüne Zwischenfrüchte“ redet und Sichert über seine radikale Kirchenkritik. Gegen das Polizeiaufgabengesetz sind alle in der Runde, Aiwanger zumindest für eine Abmilderung. und beim Diesel haben alle eine Meinung, aber keine landespolitische Handhabe.
Wer genau hinschaut, sieht dafür in den 90 Minuten, live aus München gesendet, besondere Rivalitäten untereinander. Links zum Beispiel: Gürpinar greift mehrfach die SPD an, sehr klassenkämpferisch; Kohnen schaut unverhohlen spöttisch rüber. Da, wo sie die Mitte vermuten, rumpeln mehrfach die potenziellen CSU-Koalitionspartner Hagen und Aiwanger aneinander. Das ist interessanter, als würden sich alle zum Beispiel an Söder abarbeiten. Christian Deutschländer