München – Am Morgen war Hermann Imhof schon laufen, wie fast jeden Tag. Dann hat er wie immer den Zug von Nürnberg nach München genommen. Vom Bahnhof weiter zum Max-Weber-Platz, Maximilianeum. Seit 2003 ist er Abgeordneter der CSU im Landtag. Dort sitzt Imhof jetzt vor einer kleinen Tasse, rührt Milch in seinen Kaffee und sagt: „Ich spüre, dass ich nah an der Realität bin.“
Als „Anwalt für Patienten, Pflegende, Pflegebedürftige und Angehörige“ – so sieht er sich – hat sich der 65-Jährige einen Namen gemacht. Imhof, der mal Caritasdirektor in Nürnberg war, kämpft für seine Themen, wie es nur Überzeugungstäter tun. Er legte den Finger in die Wunde – auch in der CSU. „Den Widerstand habe ich in den 60er-Jahren als Schüler im Benediktiner-Internat gelernt“, sagt er. Zuletzt war er Sonderbeauftragter der Staatsregierung. Doch in wenigen Wochen endet dieser Lebensabschnitt. Imhof macht nach der Landtagswahl Schluss mit der Berufspolitik. Im Ruhestand will er sich zum Hospiz-Helfer ausbilden lassen.
Und er geht nicht allein. Ein ganzer Schwung derjenigen, die für das S in der Christlich Sozialen Union standen, steht vor dem Abschied.
Joachim Unterländer (61), über Jahrzehnte in der CSU eine Stimme der Schwachen, traut sich nach einer schweren Erkrankung keine weiteren fünf Abgeordneten-Jahre zu. Emilia Müller (67), bis März Sozialministerin, tritt nicht mehr an. Und mit Barbara Stamm (73) – seit 1976 im Landtag und von manchen liebevoll als Mutter der Kompanie bezeichnet – läuft eine weitere CSU-Politikerin mit sozialem Herzen Gefahr, ihren Kollegen unfreiwillig zu folgen. Ob sie es nur über die Liste noch mal ins Parlament schafft, ist offen.
Der geballte soziale Aderlass bringt die Fraktion in eine schwierige Situation, sagt Christa Stewens, von 2001 bis 2008 Sozialministerin. Viel Wissen gehe verloren – über die Fachszene, aber auch über Probleme der Menschen. Die Zahl derer in der CSU, die die Lücke schließen könnten, ist überschaubar.
Das hat Gründe, glaubt Stewens: Die Sozialpolitik gelte nicht gerade als Karrieresprungbrett. „Die jungen Abgeordneten wollen lieber in den Innen- oder Wirtschaftsausschuss.“ Dazu die hohe Belastung. Wer sich auskennen wolle, müsse – zusätzlich zur Abgeordneten-Tätigkeit – Pflegeheime besuchen, den MDK und ambulante Pflegedienste bei ihren Hausbesuchen begleiten. Abends, nachts. Nah an der Realität. Das sei körperlich und oft auch „emotional belastend“. Samstags und sonntags halten dann die Sozialverbände ihre Veranstaltungen ab.
Nicht geholfen habe bei der Nachwuchsgewinnung zudem, dass die Sozialpolitik vor der Bundestagswahl 2017 auch in Bayern lange stiefmütterlich behandelt wurde, sagt Stewens. „Nun bemüht man sich gerade, ihren Rang wieder etwas zu erhöhen.“
Doch auch wenn die Bewerber in der Fraktion nicht gerade Schlange stehen, fallen zwei Namen. Einer ist der von Sozialministerin Kerstin Schreyer (47). Sie mache ihre Sache gut, sagt Stewens. „Zudem hat sie Erfahrung als Sozialpädagogin.“ Auch Thomas Huber (46), dem Integrationspolitischen Sprecher, trauen manche eine prägende Rolle zu: als ein neues soziales Gesicht der CSU.