München – Franz Bergmüller sieht sich als klassischen Konservativen. 21 Jahre lang war der Gastwirt, der einst als Vorkämpfer gegen das Rauchverbot bayernweit Bekanntheit erlangte, CSU-Ortsvorsitzender in Feldkirchen-Westerham (Kreis Rosenheim), dann wechselte er zu den Freien Wählern. Seit 2013 ist er bei der AfD, eingetreten als Euroskeptiker unter dem Vorsitzenden Bernd Lucke. Nun kandidiert er als Spitzenkandidat in Oberbayern für die Landtagswahl, doch mit der Parteispitze liegt er über Kreuz. Erst war umstritten, ob er überhaupt AfD-Mitglied ist, dann wollte ihn die Führung ausschließen. Im August siegte Bergmüller vor Gericht gegen die eigene Partei.
Herr Bergmüller, wie viel Spaß macht es, Kandidat einer Partei zu sein, die Sie ausschließen wollte?
Es macht mir deshalb Spaß, weil ich von der Basis gewählt worden bin. Dieser Basis fühle ich mich verpflichtet. Selbst bei der Listenaufstellung habe ich klar gesiegt, obwohl ich in den Saal nur noch als Gast hineingelassen wurde.
Im Landesvorstand gibt es noch immer mächtige Gegner.
Ja, im Moment sind sie mächtig. Aber die Resonanz auf meine Wahlkampfauftritte spricht für sich. Die Zeit arbeitet für mich.
Mehrfach haben sich AfD-Fraktionen in Landesparlamenten relativ rasch gespalten. Droht so etwas auch in Bayern?
Ja, einerseits droht so etwas. Aber andererseits werde ich alles daran setzen, dass wir eine gemeinsame bürgerliche Fraktion bilden.
Wollen Sie Fraktionschef werden?
Ich biete das an. Alles andere wäre absurd. Die Mitglieder in Oberbayern haben ja klar gesagt, dass sie mich wollen.
Nur sitzen in der Fraktion dann nicht die Mitglieder, sondern ein paar hauptberufliche Politiker, wo Intrigen noch viel besser verfangen.
Ich bin jederzeit bereit, eine Kooperation in einer Doppelspitze einzugehen, um alle Strömungen zu vereinen.
Was ist Ihr Wahlziel?
15 Prozent. Bei fast allen Wahlen wurde die AfD in den Umfragen drei Prozent zu niedrig eingestuft.
Würden Sie mit der CSU koalieren?
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Parteien des bürgerlichen Lagers miteinander koalieren können müssen. Aber es wäre natürlich die Frage, welche Inhalte wir durchsetzen können, die für uns Grundbedingung sind.
Können Sie kurz sagen, was sich in der Migrationspolitik ändern müsste?
Es dürfen nur wirklich politisch Verfolgte Anspruch auf Asyl haben. Dafür setze ich mich auch aufgrund meiner Familiengeschichte ein, weil mein Großvater einst im KZ saß. Die Gestapo hat ihn abtransportiert, weil er im Wirtshaus über Hitler geschimpft hat.
Was ist mit Bürgerkriegsflüchtlingen?
Die bekommen temporären Schutz, müssen später aber wieder zurück. Und Wirtschaftsflüchtlinge dürfen das Land erst gar nicht betreten.
Was ist mit dem Fachkräftemangel?
Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, ähnlich wie das in Kanada. Mein Sohn bewirbt sich gerade auf eine Stelle in den USA. Da erlebe ich, wie sorgfältig dort die Zuwanderer ausgewählt werden. So etwas brauchen wir auch. Mit Aufnahmezentren in Afrika.
Aber Herr Bergmüller, all das sagt die CSU doch auch.
Inzwischen ja. Es gibt eine Wende, die die AfD bereits 2014 eingeleitet hat. Letztlich war es der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, der hier Vorreiter ist. Am Ende wird kaum einer dieser Wirtschaftsflüchtlinge hierzulande Asyl bekommen.
Sie haben neulich für das Volksbegehren Grenzschutz geworben. Waren Sie bei der Gründung mit dabei?
Ja. Solange die Außengrenzen nicht gesichert werden, müssen wir das an den Binnengrenzen tun. Horst Seehofer hat das genauso gesehen, ist aber kläglich an Angela Merkel gescheitert. Inzwischen ist er eine Lachnummer.
Der Verfassungsschutz hat mitgeteilt, dass bei der Gründung des Volksbegehrens mehrere Menschen dabei waren, die beobachtet werden. Sie, Herr Bergmüller, sehen sich ja nicht als Rechten…
…das bin ich auch nicht. Ich sehe mich als bürgerlich-konservativ.
Gut, aber dann stellt sich die Frage, ob Sie da in guter Gesellschaft sind.
Das waren ganz normale Leute. Da hat keiner einen Stempel auf der Stirn, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Aber ich habe ohnehin beschlossen, das Volksbegehren nicht weiter zu begleiten. Aus Zeitgründen.
Sie sind unter Lucke in die Partei eingetreten. Das war eine andere AfD. Seit Chemnitz gibt es eine neue Wahrnehmung.
Das besorgt mich. Ich stelle mich nicht mit einem Lutz Bachmann in eine Reihe. Mit solchen Leuten gebe ich mich nicht ab. Aber in einer Partei muss man verschiedene Strömungen aushalten. Bei uns ist das wie bei den Grünen: Realos gegen Fundis.
Aber in der AfD scheint das besonders ausgeprägt.
Das ist doch klar. In einer jungen Partei geht es um Macht. Die Futtertröge der Macht.
Der Landesvize Gerold Otten hat sich in Chemnitz eine Weiße Rose angesteckt. Jüdische Verbände sind empört.
Das müssen Sie ihn fragen. Ich kann nur für mich sprechen: Ich habe nichts übrig für Leute, die mit Nationalsozialismus und Antisemitismus sympathisieren.
Im Wahlprogramm der AfD findet sich aber auch das Verbot des Schächtens und der Beschneidungen. Zumindest letzteres trifft auch die Juden in Bayern.
Das ist aber kein Antisemitismus! Das Ritual der Beschneidung hat in Deutschland nichts verloren. Hier leben wir nach unseren Regeln.
Na ja, es gab ja auch einmal eine größere jüdische Tradition in Deutschland.
Ja, und? Das ist mir wurscht. Ich wüsste nicht, was das mit Glauben zu tun hat. In Deutschland gilt, was bei uns normal ist. Aber das hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Mein Vater und ich waren mit einer jüdischen Familie in Israel jahrzehntelang befreundet.
Interview: mik/cd