„Schonzeit vorbei“ heißt ein neues Sachbuch, in dem die Berliner Jüdin Juna Grossmann den alltäglichen Judenhass schildert, den sie, ihre Kolleginnen und Freunde erleben. Sie schreibt von antisemitischen Ausfällen, die zunehmen, die lauter werden, bedrohlicher. Die Autorin macht klar, dass bereits der verbale Angriff versehrt. Mehr noch: „Er bereitet den Boden für gesellschaftliche Umbrüche und körperliche Gewalt. Sprache ist ein Spiegel und ein Wegweiser in die Zukunft.“
Ja, in Deutschland hat sich eine Grenze verschoben – und das nicht erst seit der Echo-Verleihung, als antisemitische Texte ausgezeichnet wurden. Wo Judenhass nicht offen ausgesprochen wird, da wird er gern verbrämt. „Man wird wohl noch sagen dürfen…“ Das ist gefährlich. Daher ist es gut, dass Angela Merkel in Yad Vashem deutlich geworden ist. Sie sprach von der „immerwährenden Verantwortung Deutschlands“, an die Schoah zu erinnern sowie „Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt entgegenzutreten“. Es ist wichtig, dass das Gedenken an den Völkermord an Europas Juden Staatsräson ist – ebenso wie die Verantwortung, die daraus erwächst. Wer Zeitung liest oder Nachrichten schaut, weiß, wie dringend es ist, dass jeder von uns dieser Verantwortung gerecht wird.
Michael.Schleicher@ovb.net