München – Vor fünf Jahren noch eine stabile Volkspartei mit starker Bindekraft und 47,7 Prozent der Stimmen, verlor die CSU dieses Mal rund ein Fünftel ihrer Wähler.
Offensichtlich ist vor allem die Flüchtlingspolitik ausschlaggebend, dass sich Wähler abwandten. Hier gab es zwei Lager: Einerseits gaben laut Infratest-dimap-Daten 180 000 eher konservativ eingestellte, ehemalige CSU-Wähler dieses Mal der AfD ihre Stimme. Gleich viele, eher liberal eingestellte, machten ihr Kreuz bei den Grünen. An diese beiden Parteien verloren die Christdemokraten die meisten Stimmen.
51 Prozent der CSU-Wähler gaben an, die CSU habe sich zu sehr auf Flüchtlingspolitik konzentriert und anderes vernachlässigt. Unter allen Befragten befanden das sogar 73 Prozent. 63 Prozent urteilten, die CSU suche zu oft Streit. Besonders die Politik auf Bundesebene von Innenminister Horst Seehofer hat die Wählerschaft gespalten: 48 Prozent befürworten seinen Konfrontationskurs gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel, 49 Prozent lehnen ihn ab. Auch CSU-Spitzenkandidat Markus Söder kommt in der Beurteilung der Wähler nicht gut weg: Nur 52 Prozent der Befragten bewerten seine Arbeit als Ministerpräsident positiv. Profitieren konnten deshalb auch die Freien Wähler von 170 000 abgeschreckten CSU-Wählern. 40 000 wanderten zur FDP, 10 000 zu anderen Parteien ab.
Die Wahlniederlage hätte aber noch deutlicher ausfallen können. Stimmen gewinnen konnte die CSU von 100 000 frustrierten SPD-Wechselwählern. Außerdem konnte die CSU rund 200 000 ehemalige Nichtwähler mobilisieren.
Verlassen konnten sich die Christsozialen immerhin auf ihre ältere Wählerschaft: Bei den mindestens 60 Jahre alten Wählern lag die CSU laut Forschungsgruppe Wahlen bei 45 Prozent und damit rund 30 Prozentpunkte vor den anderen Parteien. Bei den Jüngeren (unter 60 Jahren) schaffte sie dagegen 31 Prozent – und liegt damit nur neun Punkte vor den Grünen. Bei Wählern unter 30 Jahren lag die Umweltpartei sogar knapp vor der CSU.
Die Grünen haben ein Rekordergebnis eingefahren und sind als zweitstärkste Kraft aus der Wahl gegangen. Sie konnten nicht nur viele ehemalige CSU-Wähler für sich gewinnen, sondern auch rund 210 000 ehemalige SPD-Anhänger. Unter den Nichtwählern ließen sich etwa 120 000 Menschen von den Grünen mobilisieren. Verloren haben die Grünen ausgerechnet an die AfD, mit 10 000 Stimmen laut Infratest-dimap-Daten aber eine überschaubare Menge an Wählern.
Die Wähler der AfD setzen sich aus Frust-Wählern aller etablierten Parteien zusammen. Damit ist die Partei – anders als die vergangenen fünf Jahre – mit gut zehn Prozent erstmals im Landtag vertreten. 30 000 Menschen, die 2013 ihr Kreuz noch bei der SPD machten, gaben ihre Stimme dieses Mal der AfD. Auch die Freien Wähler verloren 60 000 Wählerstimmen. 170 000 ehemalige Nichtwähler gaben dieses Mal ihre Stimme ab und wählten die AfD. Außerdem profitierte die Partei von 220 000 Menschen, die vor fünf Jahren eine Partei wählten, die damals unter die Fünf-Prozent-Hürde fiel.
Die SPD ging mit ihrem historisch schlechtesten Ergebnis aus der Wahl. 79 Prozent der Menschen in Bayern bescheinigten der Partei laut Infratest dimap, dass ihr ein zentrales Thema fehle, mit dem sie die Menschen begeistern könne. 76 Prozent sind darüber hinaus mit ihrer Politik in Berlin unzufrieden und wünschen sich, dass sich die SPD auf Bundesebene in der Opposition erneuern kann. Die SPD konnte von keiner einzigen Wählergruppe profitieren. Statt ehemalige Nichtwähler zu mobilisieren, gingen rund 10 000 ehemalige SPD-Wähler laut Wahlanalysen dieses Mal gar nicht mehr an die Urne. 50 000 Wähler entschieden sich, ihre Stimme einer der vielen kleinen Parteien zu geben, die den Einzug in den bayerischen Landtag verpassten.
Die FDP hat den Einzug in den Landtag nach Stand der gestrigen Hochrechnungen knapp geschafft (2013: 3,3 Prozent). FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner wertet das Ergebnis als Erfolg. Bayern sei für die FDP immer ein schwieriges Pflaster gewesen. Die FDP konnte von ehemaligen CSU-Wählern (40 000) und SPD-Wählern (10 000) profitieren. Außerdem mobilisierte sie 30 000 Ex-Nichtwähler.
Insgesamt haben bei der Landtagswahl 2018 deutlich mehr Menschen ihr Wahlrecht wahrgenommen. Lag die Wahlbeteiligung vor fünf Jahren bei 63,6 Prozent, zeichnete sich gestern eine sehr hohe Wahlbeteiligung von 71,8 Prozent ab.