München – Das mit dem Schuldigen haben sie sich dann doch noch mal überlegt. Am Sonntagabend, als die AfD zwischen Jubel und Ernüchterung schwankte, machte die Niederbayerin Katrin Ebner-Steiner noch die „Hetze der Altparteien, vor allem der CSU“ dafür verantwortlich, dass es mit zwölf oder 15 oder 20 Prozent nicht geklappt hat. Tags darauf ist ein neuer Schuldiger gefunden: die Freien Wähler.
Die „starke bürgerliche Konkurrenz“ sei es gewesen, die einen „noch größeren Erfolg“ verhindert habe, sagt Parteichef Jörg Meuthen am Montag in Berlin. Neben ihm sitzt ein auffällig reservierter Alexander Gauland, und auch drei Bayern sind gekommen: Ebner-Steiner, AfD-Landeschef Martin Sichert und der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka, der – das nebenbei – der Berliner Presse ein heftiges „Habe die Ehre“ entgegendonnert. Insgesamt, sagt Meuthen dann, „betrachten wir das als einen Sieg“.
Begeisterung klingt anders. Auch am Tag nach der Bayern-Wahl fragt sich die AfD, warum der Erfolg nicht triumphaler ausgefallen ist als 10,2 Prozent – und warum die Grünen so punkten konnten. Die Öko-Partei habe mit ihrem optimistischen „Wellness-Wahlkampf“ wohl eine „Wohlfühl-Bionade-Bourgeosie“ angesprochen, sagt Meuthen einigermaßen ratlos.
Natürlich ist das Ergebnis nicht kleinzureden. Die AfD hat aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis eingefahren und sitzt nun in 15 von 16 Landtagen. Wie in anderen Bundesländern will die Partei auch das Parlament in Bayern aufmischen. Erst mal wird sie aber mit sich selbst beschäftigt sein.
In den ersten 100 Tagen habe man drei Ziele, sagt Ebner-Steiner: die Fraktion aufbauen, die Landtagsverwaltung kennenlernen und Kontakte zur Presse knüpfen. Inhaltlich wolle sie sich für „ideologiefreies Lernen“ einsetzen. Auch der Wohnungsbau sei Thema, bei der Förderung sollten bayerische Familien bevorzugt werden.
Spannend bleibt, wer die 22-köpfige Fraktion führen wird. „Ich bin in die Politik gegangen, weil ich Verantwortung übernehmen möchte“, sagt Ebner-Steiner, um dann wieder einen halben Schritt zurückzurudern. Entscheiden müsse das die Fraktion. Ihr Rosenheimer Konkurrent Franz Bergmüller hatte am Sonntagabend noch mal eine Doppelspitze ins Spiel gebracht, die er „auf alle Fälle in Ordnung“ fände. Wer in der neuen Fraktion wie viel Zuspruch hat, ist aber noch nicht abzusehen.
Der Zwist in der Bayern-AfD ist jedenfalls längst bis in die Bundesspitze vorgedrungen. Ja, es sei schon ein Problem gewesen, dass die Partei keinen gemeinsamen Spitzenkandidaten benannt habe, sagt Alexander Gauland – wohl wissend, dass das einfach nicht ging. Bergmüller und Ebner-Steiner können nicht miteinander, was auch an der stramm rechten Haltung der Niederbayerin liegt. Sie wird dem rechtsnationalen Flügel um den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke zugerechnet. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass sie das als Problem erkannt hat. „Ich bin mit Herrn Höcke befreundet“, sagt sie gestern. „Allerdings sind wir politisch nicht immer einer Meinung.“
Überhaupt scheinen die scharfen Töne aus Bayern in Berlin eher negativ aufzufallen. Der Vorstand sprach gestern nach Angaben von Teilnehmern eine Abmahnung gegen den bayerischen AfD-Politiker Andreas Winhart aus. Er hatte bei einem Wahlkampfauftritt unter anderem gesagt: „Wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist der krank oder ist der nicht krank.“ MARCUS MÄCKLER