München – Vor dem Jubel über das eigene Ergebnis ist es kurz bemerkenswert ruhig auf der Wahlparty der Freien Wähler im Landtag. Die erste Hochrechnung, der Balken für die CSU endet früh. Aber da ist kein Aufstöhnen. Kein Hohn. Auch kein Spott. Nur Innehalten. Man kann förmlich spüren, wie die Freien Wähler und ihre Anhänger im Kopf bang überschlagen: Kann das reichen für die zum Wunsch erklärte Regierung mit den Christsozialen?
Schließlich betritt Hubert Aiwanger, der Alles-Chef der Partei (Fraktion, Land, Bund) unter lautem Applaus die Bühne. Aiwanger sagt, was er seit Wochen sagt: Seine Partei sei bereit für eine „bürgerlich-vernünftige Koalition“ mit der CSU. Ministerpräsident Markus Söder solle nun nicht versuchen, Grüne und Freie Wähler als potenzielle Koalitionspartner gegeneinander auszuspielen. Und Aiwanger hat auch ein erstes Schmankerl dabei: Anders als die Grünen wolle man die nach Söders Erlass in Behörden aufgehängten Kreuze keinesfalls wieder abhängen.
Nun spricht viel dafür, dass der kernige Niederbayer zum Königsmacher im sehr ernsten Spiel um die Macht in Bayern wird. „Ich hab’ gewusst, dass es zweistellig wird“, sagt ein Mann, der sich im Wahlkampf engagiert hat – und wie andere Parteivertreter vom großen Interesse sonst CSU- oder AfD-naher Wähler berichtet. (Aiwanger nennt die AfD konsequent nur eine „komische Partei“.)
Bereits seit Wochen gibt es Hinweise darauf, welche Bedingungen die Freien Wähler für eine Regierungsbeteiligung stellen dürften. Keine Schließung von Krankenhäusern auf dem Land. Kostenlose Kinderbetreuung. Kleinere Schulklassen. Keine dritte Startbahn am Flughafen München. Die kommenden Wochen werden zeigen, wie die in Verhandlungen für eine Regierungskoalition unerfahrene Partei sich durchsetzen kann. Am siegestrunkenen Sonntagabend herrscht jedenfalls ziemlich grenzenloser Optimismus. An diesem Montag trifft man sich morgens im Landesvorstand; für die Mittagszeit ist eine Pressekonferenz angesetzt.
Das große Selbstvertrauen der Freien Wähler zeigt sich auch am vergangenen Mittwoch. Auf dem Marienplatz in München steigt die Abschluss-Kundgebung des Wahlkampfs. Von einem als Bühne dienenden Pkw-Anhänger donnert Aiwangers Stimme über Passanten (viele), Touristen (auch viele) und Zuhörer (vielleicht 150). Wie immer galoppiert der Parteichef in atemberaubendem Tempo durch die verschiedensten Themen, Hebammen, Schulen, Wohnungen, Straßenausbau, Flüchtlinge, Glasfaserkabel.
Ihm falle einfach zu allem etwas ein – erstaunlicherweise sagen das sowohl Aiwangers Kritiker als auch seine Anhänger über den gelernten Landwirt. Am Sonntagabend schickt der 47-Jährige dann gleich noch via Twitter ein Grüßchen Richtung CSU und Markus Söder. Man wolle eine Regierung, die sich wieder mehr um die Alltagsprobleme der Menschen kümmere. Oder, auf aiwangerisch: „Hebammen statt Weltraum!“ MAXIMILIAN HEIM