Brexit: EU will von May neue Ideen

von Redaktion

Vor dem heutigen EU-Gipfel ist vieles offen, doch eines scheint klar: Trotz des Rückschlags in den Verhandlungen vom Wochenende über den britischen EU-Austritt soll es doch irgendwie weitergehen.

London/Brüssel – Die Europäische Union will einen neuen Anlauf für eine glimpfliche Lösung beim Brexit, verlangt aber beim EU-Gipfel frische Vorschläge der britischen Premierministerin Theresa May. „Neben gutem Willen brauchen wir neue Fakten“, sagte EU-Ratschef Donald Tusk gestern. May will mit einem Vorstoß im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs heute Abend die Verhandlungs- Blockade durchbrechen. Doch muss sie im eigenen Kabinett und Parlament weiter um Rückhalt kämpfen.

Die Verhandlungen über den für 2019 geplanten britischen EU-Austritt hatten am Wochenende einen herben Rückschlag erlitten. Anders als geplant kam vor dem EU-Gipfel keine Einigung über den wichtigsten Knackpunkt im Austrittsabkommen zustande: das Vermeiden von Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze in Irland.

„Es sieht aus wie eine Vari-ante des Gordischen Knotens“, sagte Tusk über die Irland-Frage, die er extrem kompliziert nannte. „Leider kann ich nirgends eine Variante von Alexander dem Großen sehen.“ Nötig seien von May konkrete neue Ideen, um die Verhandlungen aus der Sackgasse zu führen. Die 27 bleibenden EU-Staaten würden dann entscheiden, ob im November ein Sondergipfel angesetzt werde.

Der jetzige Verhandlungsstand gebe keinen Anlass zu Optimismus, fügte Tusk hinzu. Die Vorbereitungen für einen Austritt ohne Abkommen müssten intensiviert werden. Ohne Vertrag würde die bereits provisorisch vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020 entfallen. Ein plötzlicher und vermutlich chaotischer Bruch könnte für die Wirtschaft schwere Verwerfungen und für Bürger große Unsicherheit bringen.

EU-Unterhändler Michel Barnier und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machten aber bereits deutlich, dass die EU jetzt noch nicht aufgeben will. Ein Abkommen mit London benötige mehr Zeit und die werde man sich nehmen, sagte Barnier. Juncker betonte: „Ich hätte gern ein Abkommen, weil kein Abkommen heißt: Katastrophe.“ Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, der derzeit den Vorsitz der EU-Länder führt, äußerte sich verhalten optimistisch. „Wenn beide Seiten wollen, gibt es eine Chance, eine Einigung zu finden“, sagte Kurz.

May hatte im britischen Parlament von echten Fortschritten gesprochen und erklärt, man sei nahe beieinander. Allerdings beharrt sie in der Irland-Frage auf Forderungen, die die EU kategorisch ablehnt. Sie hat innenpolitisch extrem wenig Handlungsspielraum.

Kategorische Brexit-Befürworter in der eigenen Partei lehnen eine dauerhafte Anlehnung an die EU ab, mit der May die irische Grenzfrage lösen will. Die nordirische Partei DUP, auf deren Stimmen May im Parlament angewiesen ist, blockiert wiederum Kompromissvorschläge der EU. Diese will Nordirland notfalls faktisch in einer Zollunion und im EU-Binnenmarkt halten, damit die EU-Grenze auf der Insel offen bleiben kann. Diesen Sonderstatus will die DUP keinesfalls akzeptieren.

In dieser Gemengelage versuchte May am Dienstag, ihr Kabinett auf Linie zu bringen. Medienberichten zufolge organisiert sich in den Reihen ihrer Minister Widerstand gegen weitere Zugeständnisse an die EU. So sollen mehrere Minister eine gemeinsame Strategie gegen May beraten haben, darunter der für die Verhandlungen mit der EU zuständige Brexit-Minister Dominic Raab.

Die EU und auch die Bundesregierung sieht jedoch vor allem London am Zuge, um wieder Bewegung in die Verhandlungen zu bringen. Daran ändere Mays innenpolitisch heikle Lage nichts, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. „Ich sehe nicht, dass wir inhaltlich Zugeständnisse machen sollten“, sagte ein Regierungsvertreter.

Das Europaparlament, das letztlich den Austrittsvertrag billigen muss, vertritt ebenfalls eine harte Linie: Einer Lösung ohne eine Garantie für offene Grenzen in Irland werde man nicht zustimmen, sagte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. Er sprach von einer Quadratur des Kreises angesichts der britischen Positionen.

Für eine Lösung müsse sich die britische Regierung noch weiter bewegen.

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