München – Wenn Politiker ein Date haben, stellt sich schon vorher die entscheidende Frage: Gehen wir zu mir oder zu dir? Die Landtagsparteien, die vom Wähler jetzt zum Kuscheln gezwungen werden, denken darüber gerade ganz akut nach. Das erste Abtasten für eine Koalition findet deshalb heute auf neutralem Grund statt: In Sitzungszimmer Saal 2 im Landtag beginnen heute die Sondierungsgespräche.
Das ist praktisch. Die CSU hätte zwar Platz in ihrer Parteizentrale, die kleineren Parteien haben aber keine Lust, dort wie zum Vorsingen nacheinander aufzulaufen. Ja – es sind schließlich mehrere Parteien, mit denen gesprochen wird. Zwar ist ein Bündnis mit Hubert Aiwangers Freien Wählern die mit Abstand wahrscheinlichste Lösung, auch ist das die Präferenz der CSU. Doch auch die Grünen wollen heute ein ernsthaftes Gespräch führen.
„Wir wollen eine ökologischere und sozial gerechtere Politik für Bayern“, sagt Fraktionschef Ludwig Hartmann unserer Zeitung. „Ich sehe die Chance, in einer schwarzgrünen Zusammenarbeit auf Augenhöhe Ökonomie und Ökologie zu versöhnen.“
Zumindest das mit der Augenhöhe dürften sie in der CSU nicht so gerne hören. Dass es den Grünen ernst ist mit den Gesprächen, zeigt aber auch ihr Sondierungspersonal. Aus ganz Bayern wird ein Achter-Team nach München geholt: Neben den Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Hartmann sind das die Landesvorsitzenden Sigi Hagl und Eike Hallitzky, die Bundestagsabgeordneten Claudia Roth und Toni Hofreiter, der Miltenberger Landrat Jens-Marco Scherf und die Augsburger Kommunalpolitikerin Martina Wild. Für Samstag ist in Regensburg ein Parteitag angesetzt, um der Basis aus der Sondierung zu berichten.
Aiwanger kommt mit dem Landesvorstand, darunter Generalsekretär Michael Piazolo und die Europaabgeordnete Ulrike Müller. Die CSU schickt neben Markus Söder, Noch-Chef Horst Seehofer, Fraktionschef Thomas Kreuzer auch die Minister Albert Füracker (Geld) und Joachim Herrmann (Sicherheit). „Offen und interessiert“ werde er in die Gespräche gehen, sagt Söder. „Wir werden ganz genau zuhören.“ Er will am Donnerstag die CSU-Spitze telefonisch konsultieren, nach Präferenzen fragen und vielleicht am Freitag Koalitionsverhandlungen beginnen.
Ein Problem gibt es in diesem Zeitplan: Ob es auch eine Sondierung mit der SPD gibt (rechnerisch eine Koalitionsoption), ist unsicher. Nach den Personalquerelen bei den Sozialdemokraten ist die Lage dort so instabil, dass der Landesvorstand erst am Sonntag entscheiden mag, ob sich ein Treffen mit Söder lohnt. Söder hatte am Montag vergeblich versucht, SPD-Chefin Natascha Kohnen ans Telefon zu bekommen.
Stehen soll das neue Bündnis innerhalb von zwei, drei Wochen – also noch vor der konstituierenden Sitzung des Landtags, die auf den 5. November gelegt wird.
Bei den Koalitionsverhandlungen stellt sich dann übrigens wieder die Raumfrage. Üblich ist, abwechselnd in den Parteizentralen zu tagen. So ist es in Berlin, so war es in Bayern 2008 mit CSU/FDP. Die Freien Wähler sind allerdings hier in Raumnot: Ihre Zentrale am Giesinger Bahnhofplatz hat nur ein sehr kleines Besprechungszimmer mit Glaswänden, an den Tisch passen höchstens zehn Leute. cd/mik/ch