Kantige Aussprache in der CSU-Landesgruppe

von Redaktion

Abgeordnete hadern mit Seehofer, Merkel und Söder – Kritik an Dobrindts konservativem Kurs wird laut

München/Berlin – Es ist eine jener Sitzungen, an die sich die Teilnehmer noch länger erinnern. Berlin am Dienstagvormittag. Vier Stunden lang diskutiert die Landesgruppe der CSU das bayerische Wahlergebnis. „Sehr massiv“ sei es zugegangen, sagt ein Teilnehmer, der schon lange dabei ist. Ein Jüngerer meint: „Ich habe so etwas noch überhaupt nicht erlebt.“

Es hat sich einiges aufgestaut. Der Ärger über Horst Seehofer und Angela Merkel war erwartbar, auch kritische Worte in Richtung von Markus Söder in München. Etwas überraschend gerät auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in die Schusslinie.

Am deutlichsten wird Max Straubinger, Abgeordneter seit 24 Jahren. Mit Seehofer ist er offensichtlich fertig. „Vor zehn Jahren ist nach einem schlechten Wahlergebnis auch der Parteivorsitzende zurückgetreten. Damals war die bayerische Verfassung (und ihre Fristen für die Regierungsbildung) die gleiche – und trotzdem ist nichts zusammengebrochen“, sagt Straubinger nach der Sitzung unserer Zeitung. Mitleid habe man von den Bürgern an den Infoständen für die CSU-Politik geerntet. Der Höhepunkt sei die legendäre Vorstandssitzung mit Seehofers Rücktritt vom Rücktritt gewesen. Acht Stunden habe man den Vorstand „einkaserniert“.

Auch die von Dobrindt geforderte „konservative Revolution“ sei überhaupt nicht gut angekommen. „Die Leute meinen: Die CSU rückt nach rechts. Und die Leute wollen das nicht“, sagt Straubinger.

Dass der pointiert formulierende Konservative Dobrindt aneckt, ist nicht neu. Seit Wochen murren einzelne Abgeordnete ab und zu halblaut. Vor drei Wochen fiel auf, dass mutmaßlich dutzende CSU-Abgeordnete seine Empfehlung, Volker Kauder als Chef der Fraktion wiederzuwählen, nicht befolgten. Selbst stand Dobrindt nicht zur Wiederwahl an.

Auch deshalb bricht sich erst am Dienstag einiges Bahn, weit über Dobrindt hinaus. Kritische und sehr kritische Wortmeldungen wechseln sich ab. Den Auftakt macht Wolfgang Stefinger. Der junge Münchner nennt das Ergebnis in seiner Heimatstadt katastrophal. „Wir haben nicht die Lebenswirklichkeit der Menschen abgebildet.“ Er fordert, verschiedene Themen mit verschiedenen Köpfen zu besetzen – und nicht mehr alle in eine Richtung zu rennen, nach rechts. Schon tags zuvor hat Stefinger Söder aufgefordert, mit den Grünen ernsthafte Verhandlungen zu führen.

Kritisch geht es weiter, Redner kritisieren den Wahlkampf und seine Themen, den Streit mit der CDU. Der Abgeordnete Andreas Lenz macht die CSU-Verluste auch an „Vertrauen, Sympathie und Sachkompetenz“ des Personals fest. Der Augsburger Volker Ullrich sagt sogar vor laufenden BR-Mikrofonen über die Partei, die Stimmung sei „nicht so, dass wir sofort einen personellen Wechsel herbeiführen müssen“ – Betonung auf „sofort“. Die fränkische Abgeordnete Emmi Zeulner wird zitiert: „Was können wir tun, damit unser Parteivorsitzender mit Stolz abtreten kann?“

Seehofer ist nur zwei Stunden dabei. Dobrindt wird von der Welle offenbar etwas überrascht. Er schildert seine Analyse und warnt vor „eindimensionalen Strategien“: Die CSU habe in Bayern doppelt so viele Wähler an AfD und Freie Wähler verloren wie an die Grünen. M.SCHIER/C. DEUTSCHLÄNDER

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