Rom – Die Nachricht platzte in die wichtigste Polit-Talkshow des Landes: Aufgeregt wedelte Vizepremier Luigi di Maio mit einem dicken Stapel Papier in die Kameras; der zeigte das Steuerdekret, wie es am Vorabend vom Kabinett verabschiedet worden war. Darin enthalten, nach dem Willen der Fünf-Sterne-Bewegung, auch eine Amnestie für kleine Steuersünder. Bezweckt werden soll damit eine Entlastung von Kleinbetrieben und Selbstständigen, die in den Jahren der Krise ihre hohe Abgabenlast nicht mehr schultern konnten und jetzt beim Fiskus verschuldet sind. So weit, so gut.
Dem Präsidialamt im Quirinal jedoch, so klagte di Maio an, sei eine Version zugeleitet worden, in der auch eine Amnestie für große Vermögen sowie für ausländische Steuersünder enthalten sei, sofern sie ihr Schwarzgeld zurück nach Italien transferierten. Das entspricht einem Vorschlag der Lega, der von den Fünf-Sternen jedoch stets energisch abgelehnt wurde.
Hatten etwa Lega-Leute im Regierungssitz Palazzo Chigi das Dokument im Nachhinein verändert und den umstrittenen Passus heimlich eingefügt? Ein ungeheuerlicher Verdacht. Vizepremier di Maio jedenfalls verkündete live in der Sendung, dass er Strafanzeige wegen Urkundenfälschung gestellt habe. Im Klartext: Er hält genau dies für möglich. Der Eklat auf offener Bühne zeigt, wie tief das Misstrauen zwischen den beiden fremden Koalitionspartnern ist. Seit sich die rechten Ultras an ihrem demoskopischen Höhenflug berauschen, wird die Stimmung bei den siegreichen Fünf-Sternen gereizter. Viele verdächtigen die Lega, das Bündnis zum erstbesten Zeitpunkt platzen zu lassen und Neuwahlen anzustreben.
Innenminister Salvini gab sich ahnungslos und wies die Verdächtigungen zurück. Aus dem Quirinalspalast verlautete indessen, dass dort das Dekret nie eingegangen sei – egal in welcher Version. Also viel Lärm um nichts? Die Posse ist bezeichnend für die Stimmung in Rom: Chaos, Krisen und Intrigen beherrschen die Palazzi. INGO-MICHAEL FETH