Bergisch Gladbach – Ein Mal hat Wolfgang Bosbach so früh Feierabend gemacht, dass seine Frau ihn mit den Worten begrüßte: „Wo kommst du denn schon her?“ Das war, als er aus Protest gegen das Verhalten der Ex-Grünen Jutta Ditfurth aus der Talkshow von Sandra Maischberger weglief. Für gewöhnlich aber ist der CDU-Mann eher spät zu Hause. Das war zu seiner aktiven Politikerzeit so und ist heute im Ruhestand auch nicht viel anders. Am Dienstag (23. Oktober) ist es genau ein Jahr her, seit Bosbach aus dem Bundestag ausschied. Nach 23 Jahren.
Braun gebrannt und lächelnd lehnt der 66-Jährige gegen den Türrahmen eines Fachwerkhauses in seinem Heimatort Bergisch Gladbach bei Köln. „Denkmal“ steht auf einem Schild neben der Tür. Bosbach selbst ist vielleicht kein Denkmal, aber seit vielen Jahren eine feste Größe in der deutschen Politik – und zwar unabhängig von seiner Funktion. Im Bundestag brachte er es bis zum Vorsitzenden des Innenausschusses und zum CDU-Fraktionsvize. Das sind eigentlich keine Posten, mit denen man zeitweise höhere Popularitätswerte als Angela Merkel erzielt. Aber Bosbach kann druckreif reden und ist einfach ein Typ, egal wie man zu ihm steht. Und dank seiner vielen Talkshow-Auftritte hat das irgendwann auch jeder mitbekommen.
Ach ja, die Talkshows, sagt Bosbach. Er kann aus dem Stegreif referieren, in wie vielen er zuletzt saß, drei im Jahr 2017 und zwei in diesem Jahr. Es kämen zwar noch mehr Einladungen, aber häufig sei er schon ausgebucht. „Zugesagt ist zugesagt. Ich sage keine Veranstaltung mit vielleicht nur 200 Gästen ab für eine TV-Sendung mit zwei Millionen Zuschauern.“ Insgesamt habe sich sein Leben gar nicht groß geändert – bis auf eines: „Heute fangen fast alle Einladungen an mit der Floskel: ,Jetzt, wo Sie mehr Zeit haben, könnten Sie ja mal…‘ Viele glauben wohl, der sitzt zu Hause im Schaukelstuhl.“
Den Wecker stellt er sich jetzt nicht mehr, aber er wacht trotzdem jeden Morgen um Punkt sieben auf. Etwa eine Stunde später sitzt er schon in seiner Anwaltskanzlei. Nachmittags ist die Politik dran: „Da geh’ ich auf Tournee.“
Noch immer nimmt er rund 400 Veranstaltungen im Jahr wahr. „Die Einladungen haben sich in etwa halbiert. Es fällt ja alles mit direktem parlamentarischem Bezug weg. Aber es sind immer noch etwa 3000 Einladungen im Jahr. Von einer mangelnden Nachfrage nach dem Redner Bosbach kann keine Rede sein.“ Er redet gern, gut und viel. Kanzlerin Merkel dagegen schätzt eher die Schweiger. Innenminister wurde er nie.
Und sonst? „Meine Frau sagt immer: Früher warst du weg und heute bist du nicht da.“ JONAS-ERIK SCHMIDT