Jamal Khashoggi war keineswegs ein radikaler Gegner des Königshauses, die Bezeichnung Dissident lehnte der Journalist selber ab. Vielmehr galt er als gemäßigter Kritiker, der die von Kronprinz bin Salman eingeleiteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen begrüßte, aber den Mangel an Partizipation und Pressefreiheit kritisierte.
Zu Beginn seiner Karriere war der am 13. Oktober 1958 in Medina geborene Journalist islamistischen Ideen zugeneigt und interviewte wiederholt den späteren El-Kaida-Führer Osama bin Laden. Später wandte er sich liberaleren Ideen zu und kritisierte die strikte Lesart des Islam durch Salafisten, was ihn in Konflikt mit dem Establishment brachte. Kashoggis Verhältnis zum Königshaus war ambivalent. Zeitweilig diente er als Berater des mächtigen Prinzen Turki al-Faisal, der lange Botschafter in Washington war und die Geheimdienste leitete. In seiner langen Karriere arbeitete er für zahlreiche Medien; zwei Mal übernahm er die Leitung der Zeitung „Al-Watan“, zwei Mal musste er wegen seiner kritischen Berichterstattung gehen.
Im Auftrag des Milliardärs Prinz Al-Walid bin Talal baute Kashoggi im Jahr 2015 einen neuen panarabischen Nachrichtensender namens „Al-Arab“ in Bahrain auf, doch ließ das Emirat den neuen Sender wegen eines kritischen Beitrags gleich am zweiten Tag wieder schließen. Bin Talal wurde im November 2017 zusammen mit Dutzenden anderen Prinzen und Geschäftsleuten in Riad wegen „Korruption“ inhaftiert.
Da sich unter Kronprinz bin Salman die Repression in Saudi-Arabien weiter verschärfte und Khashoggi seine Arbeit bei der Zeitung „Al-Hajat“ verlor, nachdem er die von Riad als „Terrororganisation“ eingestufte islamistische Muslimbruderschaft verteidigt hatte, ging er im September 2017 aus Angst vor einer Festnahme in die USA, wo er für die „Washington Post“ schrieb. Dort kritisierte er immer wieder die Politik bin Salmans, darunter die verheerende Militärintervention im Jemen sowie die Blockade gegen das Golfemirat Katar. In einer Kolumne im März lobte Khashoggi die innenpolitischen Reformen des Kronprinzen, kritisierte aber, dass er keine öffentliche Debatte darüber zulasse und Kritiker festnehmen oder verschwinden lasse. Nun hat es ihn selbst getroffen.