Der Fall Khashoggi

Der dubiose Chefankläger

von Redaktion

MARCUS MÄCKLER

Normalerweise gehört einer wie Jamal Khashoggi – Journalist, regimekritisch, kaum einzuschüchtern – nicht zu den Lieblingsmenschen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dass ausgerechnet er als Chefankläger in dem mutmaßlichen Mordfall auftritt, während etwa Siemens-Chef Joe Kaeser am liebsten sofort wieder mit den Saudis kuscheln würde, hat zwei Gründe: Erdogan kann seinen saudischen Kontrahenten eins auswischen – und sich wieder an den Westen anschmiegen.

Mustergültig zeigte sich das bei seinem gestrigem Auftritt in Ankara. Tagelang kündigte die Türkei an, weitere Details, womöglich sogar Schuldige zu nennen. Ein klein wenig lieferte Erdogan auch – er sprach von einem lange geplanten Mord. Sonst baute er aber vor allem weiter an der Drohkulisse für Riad. Dass er zwar dem saudischen König, nicht aber dessen Sohn Prinz Mohammed bin Salman sein Vertrauen aussprach, spricht Bände. Erdogan lastet das schlechte Verhältnis vor allem dem jungen, außenpolitisch aggressiv agierenden Prinzen an.

Der türkische Präsident nutzt die Gunst der Stunde geschickt. Der Westen, bei dem sein Aufklärungs-Eifer momentan verfängt, darf das dahinter verborgene Kalkül aber nicht übersehen. Erdogan agiert taktisch, nicht moralisch. Der verlässliche Partner, als der er sich derzeit gibt, ist er noch lange nicht.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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