Neue Hauptroute: Spanien löst Italien ab

von Redaktion

2018 kommen weit weniger Migranten über das Mittelmeer nach Europa als in den Vorjahren. Während Spanien inzwischen das Ziel Nummer eins ist, sind die Zahlen in Italien drastisch gesunken. Gleichzeitig ertrinken noch immer viele Menschen.

VON SEBASTIAN HORSCH

München – An einem Wochenende Ende September kamen fast 700 an. Die Menschen stammten aus dem Maghreb und aus afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Sie alle hatten sich in Marokko in Boote gesetzt. Eines nach dem anderen zog die Küstenwache später vor Spanien aus dem Wasser.

Das Land gilt als das neue Tor nach Europa. Rund 45 000 illegale Migranten kamen im laufenden Jahr bisher in Spanien an – mehr als in den drei Vorjahren zusammengenommen. Der Grund ist einfach: Immer mehr Afrikaner meiden mittlerweile Libyen und nehmen stattdessen die westliche Mittelmeerroute von Algerien oder Marokko aus.

Dabei geht die Zahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer die EU erreichen, insgesamt weiter deutlich zurück. Knapp 95 000 waren es bisher in diesem Jahr. Weit weniger als in den vergleichbaren Zeiträumen 2017 (ca. 147 000) und 2016 (ca. 325 000). Diesen Rückgang spürt besonders Italien. Erreichten das Land im vergangenen Jahr bis Oktober noch 111 000 Flüchtlinge und Migranten über das Mittelmeer, waren es in diesem Jahr erst knapp 22 000.

Aus Libyen – woher die meisten Boote nach Italien aufbrachen – sind in diesem Jahr sogar mehr Migranten in ihre Heimatländer zurückgekehrt als dorthin übergesetzt. Das zeigen die jüngsten Zahlen der UN-Organisation für Migration (IOM), die Rückkehrwillige mit Flügen und Starthilfen in ihrer Heimat unterstützt. Das hätten bis Mitte Oktober mehr als 13 000 Menschen aus 32 Ländern in Anspruch genommen, sagte gestern IOM-Sprecher Joel Millman. Im gleichen Zeitraum seien knapp 12 500 Migranten und Flüchtlinge in Italien angekommen, die Schmuggler in Libyen in Boote gesetzt hatten. Etwa 9500 weitere Migranten erreichten Italien in Booten aus Tunesien, Algerien, der Türkei und Griechenland. Auch wenn die IOM betont, dass natürlich nicht jeder Migrant, dem sie geholfen hat, sich andernfalls in ein Boot nach Italien gesetzt hätte, zeigt der Vergleich, dass sich etwas Grundlegendes verändert hat.

Der Rückgang der Ankunftszahlen dürfte wohl zum einen damit zu tun haben, dass Italien einen harten Anti-Migrations-Kurs fährt. So will Rom seit dem Antritt der neuen Regierung im Juni keine Schiffe von Hilfsorganisationen mehr in seine Häfen lassen. Die IOM hat zudem beobachtet, dass auch die Kontrollen der libyschen Küstenwache zugenommen hätten, was ebenfalls einen reduzierenden Einfluss auf die Zahlen gehabt habe.

„Die Zahl der ankommenden Migranten sinkt, aber die Quote der Menschen, die ihr Leben verlieren, steigt“, kritisierte jüngst der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. Seit Anfang 2018 sind im Mittelmeer laut IOM mehr als 1850 Migranten auf dem Weg nach Europa ertrunken, gemessen an den zurückgegangenen Flüchtlingszahlen seien das im prozentualen Vergleich mehr Todesfälle als im vergangenen Jahr (ca. 2800). Die Sterbequote hänge auch damit zusammen, dass die Rettungseinsätze beschnitten worden seien, betonen das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und IOM. Das war vor allem in Italien der Fall, die Organisationen nannten jedoch keine Länder beim Namen.  (mit dpa und afp)

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