Auch in Mainz drohen Diesel-Verbote

von Redaktion

Ein Gericht hat entschieden: Wegen zu schmutziger Luft muss Mainz Sperrungen für Diesel ins Auge fassen – und bekommt dafür eine Frist. Die Bundesregierung will ihre geplanten Hilfen rasch umsetzen.

Mainz/Berlin – Das Mainzer Gericht verhandelt noch, da meldet sich in Berlin Christian Lindner zu Wort. In Europa und auch in Deutschland messe doch „jeder nach Gusto“, sagt der FDP-Chef. Dabei sei völlig klar, dass ein Sensor mit drei Metern Abstand zur Straße zu anderen Ergebnissen komme als einer mit 20 Metern Abstand. Bevor an irgendwelchen Grenzwerten geschraubt werde, brauche es umgehend „für alle Kommunen und Länder verbindliche Messmethoden“.

Lindners Ärger richtet sich an Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Doch der hat an diesem Mittwoch andere Sorgen. Ein Diesel-Urteil in Mainz setzt Politik und Autoindustrie weiter unter Druck. Außerdem will die Regierung Tempo bei den Voraussetzungen für Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel machen. Allerdings fehlen nach wie vor grundlegende Zusagen der Autohersteller.

Gerade das Mainzer Urteil bringt die Regierung unter Zugzwang. Das dortige Verwaltungsgericht hat gestern entschieden, dass die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt in einem neuen Luftreinhalteplan auch Verbote vorbereiten muss. Sie sollen spätestens zum 1. September 2019 kommen, aber nur, wenn der Grenzwert der Luftverschmutzung – 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft – im ersten Halbjahr nicht eingehalten wird. Ob für einzelne Straßen oder eine Zone, ließ das Gericht offen.

Die Deutsche Umwelthilfe, die auch in diesem Fall geklagt hatte, zeigte sich zufrieden. Geschäftsführer Jürgen Resch sagte, er hoffe, dass das Urteil ein Weckruf für langjährig untätige Politiker sei. Gerichte hatten schon für Stuttgart, Frankfurt am Main und Berlin Fahrverbote für ältere Diesel für 2019 angeordnet. In Hamburg sind bereits zwei Straßenabschnitte gesperrt. Laut Bundesverwaltungsgericht sind Fahrverbote zulässig, müssen aber verhältnismäßig sein.

Für den Deutschen Städtetag zeigt das Urteil, dass die Kommunen in einer Zwickmühle sind. Sie rüsteten Busse um, bauten den Nahverkehr aus, das reiche aber nicht. „Denn der Schlüssel für durchgreifende Erfolge im Kampf für saubere Luft liegt bei der Autoindustrie“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Greenpeace sprach von einer „guten Nachricht für viele Menschen in Mainz“. Verkehrsminister Andreas Scheuer dürfte nun nicht länger zusehen, wie Gerichte einen juristischen Flickenteppich webten.

Das Bundeskabinett beschloss einen konkreten Plan für die Umsetzung umstrittener Abgas-Umbauten an Motoren älterer Diesel in besonders belasteten Städten. Das Verkehrsministerium erarbeite „unverzüglich die rechtlichen und technischen Vorschriften für den Einsatz von Nachrüstungen“. Diese Maßnahmen, die Ausnahmen von Fahrverboten ermöglichen sollen, sollten „schnellstmöglich zu Beginn des Jahres 2019 in Kraft gesetzt werden“. Die SPD sieht nun Minister Scheuer am Zug.

Ausdrücklich bekräftigte das Kabinett, dass die Autobauer die Kosten von Hardware-Nachrüstungen übernehmen sollen. Die Regierung sei in „intensiven Verhandlungen“ mit der Industrie, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Bisher lehnen es die Hersteller ab, Nachrüstungen komplett zu bezahlen. Die Bundesregierung will zudem gesetzlich klarstellen, dass Fahrverbote „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur in Gebieten in Betracht kommen“, in denen im Jahresmittel mehr als 50 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft gemessen werden.

Nach aktuellem Stand wären 15 Städte betroffen. Für Autobesitzer in diesen Kommunen und Pendler aus dem Umland hat die Koalition Anfang Oktober ein Paket mit neuen Maßnahmen geschnürt, das Fahrverbote vermeiden soll. Es umfasst neben Hardware-Nachrüstungen auch Extra-Rabatte der Hersteller für den Kauf saubererer Fahrzeuge.

Ob Mainz Berufung gegen das Urteil einlegt, will die Stadt prüfen. Oberbürgermeister Michael Ebling sagte, das Gericht habe die Anstrengungen der Stadt gewürdigt: „Es hat uns ganz klar einen Puffer gegeben.“ Ein flächendeckendes Fahrverbot zähle er auf jeden Fall nicht zu den verhältnismäßigen Maßnahmen, die möglicherweise zu ergreifen wären.  dpa

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