Las Vegas/New York – Barack Obama ahnt, wie knapp es wird. Statt den Umfragen zu glauben, die für lange Zeit eine „blaue Welle“ bei den Midterm-Wahlen am 6. November vorausgesagt haben, kehrt er aus dem politischen Ruhestand zurück. Anfang der Woche stürzte er sich mit einem Auftritt an der University of Nevada mitten in den Kongresswahlkampf des heiß umkämpften Wüstenstaats.
Ganz der Alte, zog er sein Jacket aus, krempelte die Ärmel hoch und zündete vor den mehr als 2000 Anhängern ein rhetorisches Feuerwerk ab. „Diese Wahlen im November sind die wichtigsten Wahlen, an die ich mich in meiner Lebenszeit erinnern kann“, schärft er seinen Zuhörern ein. Nicht wählen zu gehen, sei „profund gefährlich“ für die Vereinigten Staaten.
Sein Appell richtete sich an die jungen Wähler, Erstwähler und Minderheiten, die für die Aussichten der Demokraten entscheidend sind, aber am Wahltag oft zu Hause bleiben. In knappen Rennen, wie dem um den Senatssitz des Republikaners Dean Hellers in Nevada, kommt es tatsächlich auf jede Stimme an.
Auch Donald Trump lässt nichts anbrennen. In einer Art Fernduell mobilisierte er in Houston für seinen ehemaligen Herausforderer bei den Vorwahlen 2016, Ted Cruz, der mit dem Shootingstar der Demokraten, Beto O’Rourke, einen überraschend starken Herausforderer hat.
Trump testet vor seinen Anhängern das Thema an, das er in der Schlussphase des Wahlkampfs in den Vordergrund rücken will: den Flüchtlingstreck mehrerer tausend Menschen aus Zentralamerika, die Richtung US-Grenze ziehen (siehe Kasten). Aus Umfragen und den Ergebnissen der Wahlen 2016 weiß Trump, dass er mit der Angst vor Einwanderern und Flüchtlingen seine Basis motivieren kann. Dass das Rennen um die Mehrheiten im amerikanischen Senat und Repräsentantenhaus auf der Zielgeraden knapp wird, verdanken die bedrängten Republikaner vor allem ihrem Präsidenten. Dessen Zustimmungswerte haben sich in Gefolge des Streits um die Bestätigung seines Kandidaten für das Verfassungsgericht, Brett Kavanaugh, deutlich verbessert. Sie lagen zuletzt bei 47 Prozent.
Der unmittelbare Effekt zeigt sich im Senat, der nach Ansicht der meisten Analysten nunmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in republikanischer Hand bleiben wird. Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus sieht es weiterhin besser für die Demokraten aus, die hier 23 Sitze für eine Mehrheit hinzugewinnen müssen. Der Grund dafür? Es ist die Wut der gebildeten Frauen in den suburbanen Wohngebieten der USA. Sie geben mit einem Vorsprung von 23 Prozent einem demokratischen Kandidaten den Vorzug in den 70 umkämpften Wahlbezirken.
Unterdessen sorgen „verdächtige Paketsendungen“ für Aufsehen. An Obama, Ex-Außenministerin Hillary Clinton und den Fernsehsender CNN sind Pakete mit mutmaßlichen Sprengsätzen geschickt worden. Wie der Secret Service gestern mitteilte, wurden die beiden Pakete an Obama und Clinton von Beamten des Dienstes bei routinemäßigen Kontrollen abgefangen. Es habe kein Risiko bestanden, dass die Sendungen mit „potenziellen Sprengsätzen“ ihre Adressaten hätten erreichen könnten. Beim CNN-Büro in New York ging das verdächtige Paket nach Angaben des Senders hingegen ein. Das Time-Warner-Gebäude sei evakuiert worden.
Das Weiße Haus verurteilte die „verabscheuenswerten“ Taten gegen Obama und Clinton. Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo sagte, auch an sein Büro sei ein verdächtiges Paket geschickt worden. Er sprach von einem „terroristischen Akt“.