Regensburg – Um kurz nach 12 Uhr hat Hubert Aiwanger es geschafft: Bei nur drei Enthaltungen übergibt die Basis der Freien Wähler dem Landesvorstand und der Landtagsfraktion am Samstag das letzte Wort für die Koalition mit der CSU. In beiden Gremien ist der Chef der Freien Wähler das Maß aller Dinge. „Danke für diesen grandiosen Vertrauensbeweis“, sagt Aiwanger. „Wir werden euch nicht enttäuschen.“
Worüber die Basis inhaltlich beim Parteitag in Regensburg abgestimmt hat, weiß in diesem Moment niemand. Klar ist nur: Kurz nach dem 11,6-Prozent-Erfolg bei der Landtagswahl bietet sich – so Aiwanger – eine „historische Chance“. Die wenigen Freien Wähler, darunter Aiwanger und Generalsekretär Michael Piazolo, die an den Verhandlungen teilnehmen, ahnen zwar, wohin es geht. Doch es gilt: „Solange nicht alles beschlossen ist, ist nichts beschlossen.“
Doch was heißt das für die Forderung nach einer kostenlosen Kinderbetreuung? Was für die kategorische Absage an eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen? Und was für die juristisch heikle Rückerstattung von bereits gezahlten Straßenausbaubeiträgen? Um die letzten Zweifler noch zu überzeugen, ruft Piazolo: „Wir versuchen alles rauszuholen, was geht.“
Lange warten werden die Freien Wähler auf die Inhalte des Koalitionsvertrags nicht mehr. In den ersten acht Verhandlungstagen haben die Verhandler alle Themen einmal durchgearbeitet. In den meisten Bereichen verfolgen die Parteien ohnehin ähnliche Ansätze. Für die wenigen größeren Differenzen brauchen Aiwanger und CSU-Ministerpräsident Markus Söder Kompromisse.
„Leider Gottes haben wir bei dieser Wahl die absolute Mehrheit noch nicht erreicht“, sagt Aiwanger in seiner Rede – auch, um die Anhänger auf Kompromisse mit der CSU vorzubereiten. Aber: Seine Partei werde sich nicht von der CSU über den Tisch ziehen lassen. „Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Baustellen Bayerns nicht mit Lösungen hinterlegt sind.“
Dabei gehe es ihm nicht um ein Regieren des Regierens wegen. „Wir sehen eine Regierungsbeteiligung nur als notwendiges Übel, um die Zukunft des Landes weiter zu gestalten.“ Die politischen Fehler „von denen da oben“ in den vergangenen Jahren machten es für ihn notwendig, selbst Verantwortung zu übernehmen. „Ansonsten würde ich vielleicht Bäume pflanzen und Schweine füttern.“ Seine Partei sei ein Glücksfall für Bayern, da ohne sie keine bürgerlich-konservative Regierung möglich sei. „Ohne die Freien Wähler geht in Bayern nichts mehr.“
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die neue Rolle als Regierungspartei Risiken birgt. Bislang konnte die Partei, die ihre Kraft aus der kommunalen Verwurzelung zieht, im Landtag mit teuren Forderungen punkten, die sie von den Menschen auf der Straße übernommen hat. Dieses Ohr „ganz unten am Bürger“ müsse die Partei unbedingt beibehalten, fordert Aiwanger. Spannend wird es aber, wenn etwa die Haushaltslage des Freistaats den Sparzwang auf die Regierung erhöht. Dann könnten Aiwanger und Co. schnell vom Jäger zum Gejagten werden. MARCO HADEM