Rio de Janeiro – Kurz nach seinem Wahlsieg schlägt der künftige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro erste Pflöcke ein. Der Rechtspopulist will den prominentesten Korruptionsermittler des Landes als Justizminister in sein Kabinett holen und die auswärtigen Beziehungen des Landes neu ausrichten.
Seine erste Auslandsreise soll, entgegen der Tradition, nicht nach Argentinien, sondern nach Chile führen. Der chilenische Präsident Sebastián Piñera war einer der wenigen Staatschefs der Region, der sich positiv zu Bolsonaro geäußert hatte. „Wir werden Beziehungen knüpfen zu Ländern, die gute Partner sein können bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, beim Fortschritt und dem Kampf für sozialen Frieden in Brasilien“, sagte der brasilianische Abgeordnete Onyx Lorenzoni, der als Kabinettschef im Gespräch ist. „Chile ist für uns ein Vorbild.“ Danach soll es in die USA und nach Israel gehen.
In seinem ersten Fernsehinterview nach der Wahl kündigte Bolsonaro an, dem populären Antikorruptionskämpfer Sergio Moro den Posten des Justizministers anzubieten. Moro hat als Untersuchungsrichter die Ermittlungen zu „Lava Jato“ (Autowäscherei) – dem größten Korruptionsskandal Lateinamerikas – vorangetrieben. Im vergangenen Jahr verurteilte er Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in erster Instanz wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe.
Am Sonntag war Bolsonaro zum Präsidenten gewählt worden. Die Wut vieler Brasilianer über die verbreitete Korruption hatte maßgeblich zum Erfolg des ultrarechten Ex-Militärs beigetragen. In der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas sind Politiker über alle Parteigrenzen hinweg in Schmiergeldaffären verwickelt. Jahrelang war es üblich, dass Unternehmen Millionenbeträge an Funktionäre zahlten, um an öffentliche Aufträge zu kommen.
Das Interview gab Bolsonaro dem Sender Record TV, der der evangelikalen Universalkirche des Reichs Gottes gehört. Die erzkonservativen Freikirchen hatten Bolsonaro unterstützt. Mit seiner Ablehnung von Homoehe und Abtreibung sowie seiner Werbung für traditionelle Familienwerte liegt er ganz auf der Linie der Evangelikalen.
In dem Interview verteidigte Bolsonaro auch seine Pläne, das Waffenrecht zu liberalisieren. „Wenn in diesem Fernsehstudio drei oder vier bewaffnete Personen wären, würde kein Verrückter hereinkommen, um böse Dinge zu tun“, sagte er. Kritiker fürchten indes, dass ein einfacherer Zugang zu Waffen die Gewalt verschärfen könnte. Brasilien leidet unter einer Mordwelle: 2017 wurden über 63 000 Menschen getötet. In Deutschland gab es im gleichen Zeitraum 730 Tötungsdelikte.
Gerade in den Favelas sind viele Waffen im Umlauf. Halbstarke mit Schnellfeuergewehren bewachen dort die Reviere der Drogenbanden. „Wenn jemand Böses tun will, kann er sich leicht eine Waffe auf dem Schwarzmarkt besorgen“, sagte Bolsonaro. „Wir sollten uns von dem politisch Korrekten verabschieden.“
Bolsonaro hatte immer wieder mit rassistischen Parolen sowie seiner Bewunderung für die Militärdiktatur provoziert. Kritiker halten ihn für eine Gefahr für die junge Demokratie in Brasilien. Seit dem Wahlsieg gibt er sich zurückhaltend. „Die Opposition ist immer willkommen und die freie Meinungsäußerung ist heilig“, sagte er nun im Fernsehen. F. DUCLOS, D. DÜTTMANN