München – Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die künftigen AfD-Landtagsabgeordneten Uli Henkel, Ralf Stadler und Andreas Winhart. Das ergibt sich aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze. Der Landtag steht damit vor seinem ersten Großkonflikt mit der AfD: Henkel will am Montag zum Vizepräsidenten des Parlaments gewählt werden. Dass es dazu kommt, ist nun mehr als fraglich.
Eigentlich ist – teils zähneknirschend – Konsens: Jede Fraktion stellt einen Vizepräsidenten. In der CSU wird nun aber nicht mehr mit einer Mehrheit für Henkel in geheimer Wahl gerechnet. Die Grünen schließen ihre Stimmen sogar kategorisch aus. „Der Vizepräsident des Landtags darf kein Feind unserer Verfassung sein“, sagt Schulze. Ebenso die FDP: Henkel durfte sich den Liberalen zwar vorstellen. Fraktionschef Martin Hagen sagt nun aber, ein Vizepräsident, der vom Verfassungsschutz beobachtet werde, sei „inakzeptabel“. Die Freien Wähler wollen heute intern den Fall beraten. Fraktionsmanager Florian Streibl deutet bereits an: Wer vom Verfassungsschutz beobachtet werde, sei unvertretbar „für eines der höchsten Staatsämter“. Die designierte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagte unserer Zeitung, sie werde am Montag auf die Fraktionsvorsitzenden zugehen und über die Personalie reden.
Denkbar ist, dass wie im Bundestag der AfD zwar ein Vize zusteht – er aber mangels Mehrheit nicht besetzt wird. Oder, dass die AfD einen anderen Bewerber vorschlägt. Die Fraktion hält bislang aber an Henkel fest. SPD, Grüne und CSU würden „aus ganz offensichtlich taktischen Gründen“ versuchen, „unseren Kandidaten zu diskreditieren“, erklärte die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner. Die Begründungen für die Beobachtung seien nicht stichhaltig.
Als Anlass für die Beobachtung nennt Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Falle Henkels ein Video, das der Münchner Abgeordnete auf seiner Internetseite veröffentlicht hatte. Titel: „Aus Wut wird Gewalt“. Aussagen darin seien „als extremistisch zu werten und motivieren zum Hass“, schreibt Herrmann. Dazu komme, dass Henkel den Verein „Volksbegehren e.V.“ unterstütze, der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet werde.
In Bezug auf das Video sagte Henkel dem „BR“, die entsprechende Passage sei „sicherlich absolut nicht glücklich formuliert und ich würde diese so heute natürlich auch nicht mehr senden“. Er hält an seiner Kandidatur fest und versichert: Als Vizepräsident würde er seine Worte künftig sorgfältig wählen „weil ich ja weiß, dass ich in dieser Funktion nicht Parteimitglied im Wahlkampf, sondern Repräsentant des Landtags und des Freistaates bin“.
Als Gründe für die Beobachtung des Passauer Abgeordneten Ralf Stadler führt Innenminister Herrmann unter anderem Freundschaftsverbindungen auf Facebook zu dem Verfassungsschutz bekannten Rechtsextremisten an, sowie Bezüge zur ebenfalls unter Beobachtung stehenden Identitären Bewegung. Zudem habe Stadler die Aktivitäten von Michael Stürzenberger gelobt, „der weiterhin die zentrale Figur der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene in Bayern ist“.
Der dritte Abgeordnete im Visier des Verfassungsschutzes ist Andreas Winhart, Stimmkreis Rosenheim-Ost. Die Aufmerksamkeit des Nachrichtendienstes hat er durch Video-Mitschnitte erregt, in denen er sich abfällig zu Pflegekräften aus dem Kosovo und Albanien geäußert habe, schreibt Herrmann. Zudem habe Winhart die Behauptung aufgestellt, er habe vom Gesundheitsamt Rosenheim nachrecherchieren lassen, dass es durch Flüchtlinge zu weitaus mehr HIV-, Krätze- und TBC-Fällen gekommen sei. Seine Wortwahl sei dabei „als extremistisch zu werten und motiviert zum Hass“.
Neben den Anhaltspunkten aus offen zugänglichen Quellen habe der Verfassungsschutz zudem „vereinzelt“ Hinweise auf Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen, die er durch die Beobachtung dieser Gruppen gewonnen habe. Auf welche der drei Abgeordneten dies zutrifft, lässt Herrmann offen. SEBASTIAN HORSCH, CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER