Die AfD und die Angst vor dem Verfassungsschutz

von Redaktion

Die Beobachtung dreier Landtags-Abgeordneter dürfte auch in Berlin Thema sein – Petry: Keine weitere Spaltung

München – Uli Henkel will kandidieren, auch wenn seine Chancen gegen null tendieren. Nach Grünen und FDP haben auch CSU und SPD signalisiert, den AfD-Kandidaten für den Posten des Landtags-Vizepräsidenten abzulehnen. SPD-Fraktionschef Horst Arnold sagte am Freitag, er gehe davon aus, dass seine Kollegen nicht für Feinde der Verfassung stimmen. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer betonte, zwar sei die Wahl geheim. Ihm sei es aber wichtig, „dass die Abgeordneten im Landtag auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.

Seit Donnerstag ist bekannt, dass Henkel und seine Fraktionskollegen Ralf Stadler und Andreas Winhart vom Verfassungsschutz beobachtet werden. In Henkels Fall ist ein Auslöser ein Video mit extremistischem Inhalt (Titel: „Aus Wut wird Gewalt“). Der 63-Jährige hatte es auf seiner Homepage veröffentlicht und inzwischen wieder gelöscht. Aber der Schaden bleibt.

Die Sache schafft nicht nur in der bayerischen AfD Unruhe, sondern dürfte auch in der Parteispitze aufmerksam verfolgt werden. Denn beim Bundesvorstand wächst die Angst vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Seit Wochen bastelt eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe an Konzepten, um das zu verhindern. Ein Ziel: Sie soll Handreichungen ausarbeiten, die die Mitglieder über politisch inakzeptable Positionen aufklären.

Die niedersächsische AfD hat vorgelegt. Landes-Vize Klaus Wichmann rät seinen Parteifreunden in einem Papier, gerade bei Äußerungen im Zusammenhang mit der Menschenwürde vorsichtig zu sein. Diese dürfe man nie einer Gruppe absprechen, sondern müsse differenzieren und eine andere Formulierung finden, „die annähernd dasselbe aussagt“.

In der Partei ist dieses Vorgehen umstritten. Vor allem der rechte Flügel klagt über Denk- und Sprechverbote und wirft der Parteispitze vorauseilenden Gehorsam vor. Der Ärger macht sich seit einigen Tagen im Internet Luft. Das Ventil trägt den Namen: „Stuttgarter Aufruf“.

Die Initiatoren – unter anderem die baden-württembergische Landtagsabgeordnete Christina Baum – beklagen darin die „zahlreichen Ordnungs- und Ausschlussverfahren“ gegen unliebsame Mitglieder in Bund und Ländern und fordern, die „parteischädlichen Mechanismen“ zu beenden. Mehr als 1000 AfD-Mitglieder haben bisher unterzeichnet, darunter auch der vom Verfassungsschutz beobachtete Andreas Winhart und Franz Bergmüller, um dessen Parteimitgliedschaft ein Gerichtsstreit läuft.

In Berlin spielt man die Sache demonstrativ herunter. Der Aufruf sei „eine Angelegenheit des baden-württembergischen Landesverbandes“, erklärt ein Sprecher des Bundesvorstands. Deshalb wolle man ihn nicht weiter kommentieren. Die Unterzeichner kommen aber aus der ganzen Republik. Und manche glauben, der Aufruf könne den gärenden Richtungsstreit in der Partei zwischen rechts und ganz rechts zum Eskalieren bringen.

Nicht zufällig erinnert der Aufruf an die „Erfurter Resolution“, mit der Thüringens Fraktionschef Björn Höcke die AfD 2015 erstmals nach rechts drängte. „Dieser Aufruf ist noch etwas extremer als die Erfurter Resolution“, sagt Ex-AfD-Chefin Frauke Petry unserer Zeitung. Daran, dass er große Wucht entfalten könnte, glaubt sie aber genauso wenig wie an eine Spaltung der AfD. „Höckes Flügel hat die Macht ohnehin schon übernommen“, sagt sie. „Der Schmerz unter den gemäßigten AfDlern über den Zustand ihrer Partei ist groß.“

Bayerns AfD sieht erst mal einem schmerzlichen Montag entgegen. Dann soll das Landtags-Präsidium gewählt werden, Henkel wird wohl durchfallen. Der Verfassungsschutz hat zudem erklärt, die drei AfD-Abgeordneten weiter zu beobachten. AfD-Landeschef Martin Sichert kritisierte, all das liefere den anderen Parteien „ein fadenscheiniges Argument“, Henkel abzulehnen. MARCUS MÄCKLER

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