Wie Schäuble an Merkels Sturz arbeitete

von Redaktion

Krimi hinter den Kulissen: Offenbar steckt der Bundestagspräsident hinter der Merz-Kandidatur

Berlin/München – Es war eine würdige Trauerfeier an jenem März-Tag in Mainz. Im gesamten Bistum läuteten 15 Minuten lang die Glocken, ein langer Trauerzug folgte dem weißen Leichenwagen mit Glasdach bis zum Dom. Was damals niemand mitbekam: Am Rande der Beerdigung des Mainzer Kardinals Lehmann nahm auch ein Polit-Krimi seinen Anfang. Dort trafen einige mächtige Herren aufeinander und besprachen, die Kanzlerin abzulösen.

Das Magazin „Spiegel“ hat in seiner neuen Ausgabe rekonstruiert, dass an jenem Tag in Mainz die Mitglieder des alten „Andenpakts“ zusammentrafen. Ein informelles Netzwerk ist das, eine Runde von bis zu 20 damaligen oder heutigen Politikern, die sich 1979 auf einer Südamerika-Reise ihre Solidarität versichert haben sollen. Friedrich Merz ist heute einer der prominentesten Paktierer, dazu kommen Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch und EU-Kommissar Günther Oettinger. Laut „Spiegel“ begannen sie in Mainz, ihren Frust über Kanzlerin Angela Merkel auszutauschen. Sie berieten über Strategien, die CDU-Vorsitzende loszuwerden, und machten sich auf die Suche nach einem Gegenkandidaten für den Parteitag im Dezember. Sie fanden Merz.

In den Monaten nach März wuchs hinter den Kulissen offenbar ein Geheimplan heran. Merz und seine Getreuen, allesamt Merkel-kritisch, stießen dabei auf einen mächtigen Unterstützer. Laut dem Magazin machte sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble heimlich auf den Weg, um Merz’ Kandidatur vorzubereiten.

Immer wieder ermunterte Schäuble seinen guten Freund, sich bereit zu machen. Er riet ihm, spätestens am Nachmittag der Hessen-Wahl Klarheit über eine Kandidatur als CDU-Chef zu finden. Offenbar öffnet Schäuble für Merz auch Türen für diskrete Vorgespräche. Mitte Oktober soll der 62-Jährige dank Schäubles Intervention mehrere Termine mit wichtigen EU-Politikern und -Beamten bekommen haben – unter anderem bei Joseph Daul, dem Franzosen, der die konservative Parteienfamilie in Europa führt.

Spätestens dann erfuhr Merkel von den Plänen der Paktierer. Daul rief sie an und warnte, dass „sich etwas gegen sie zusammenbraue“. Das Magazin zitiert Merkels kühle Antwort: „Der Schäuble hat doch jede Woche einen anderen Kandidaten.“

Die Kanzlerin konnte die destabilisierenden Bemühungen Schäubles auch schon anderen Medien entnehmen. Kurz vor der Bayern-Wahl hatte der Bundestagspräsident offen orakelt, Merkels Stellung sei „nicht mehr so unbestritten“ wie früher. Am Tag der Hessen-Wahl veröffentlichte er in der „Welt am Sonntag“ einen Gastkommentar, in dem er anhand des letzten Reichskanzlers Max von Baden über die Kunst des richtigen Zeitpunkts von Rücktritten sinnierte. Ein Gruß an Merkel?

Die Kanzlerin ihrerseits hat sich auf den Tag nach der Hessen-Wahl wohl ebenfalls vorbereitet. Der „Spiegel“ berichtet, Ende Juli habe Merkel bei einem Treffen in der Uckermark eine einzige enge Vertraute in ihre Überlegungen zu Machterhalt oder Machtverzicht eingeweiht: Ex-Bildungsministerin Annette Schavan. Dort entstand ein Notfallplan: Parteivorsitz abgeben, Kanzlerschaft retten. Keine Frage: Der Krimi um Merkel, Merz und Schäuble ist noch nicht zu Ende. cd

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