München – Die Macht bricht überraschend über ihn herein, irgendwie ging es am Ende so schnell. Jetzt ist es Sonntagabend und Hubert Aiwanger soll zum ersten Mal als designierter Minister vor die Kameras treten. Auf die Schnelle ist nur ein kleines Eckzimmer in einem Münchner Wirtshaus frei. Es riecht nach Schweinebratenresten und Kraut, zwischen den karierten Tischdecken im heillos überfüllten Zimmer steht nun Aiwanger und gibt ein Live-Interview für die ARD.
Das ist wohl diese neue bodenständige Politik. Sie ist an diesem Abend angekommen in der Staatsregierung. Wenige Minuten vorher haben die Fraktionen von CSU und Freien Wählern dem Koalitionsvertrag zugestimmt. „Die Würfel sind gefallen, die Hände sind gehoben“, sagt Aiwanger zufrieden.
Es sind nicht nur die Würfel gefallen, es purzeln auch ein paar Minister. Denn personell hat der Chef der Freien Wähler auf den letzten Metern in kleinster Runde ein paar Entscheidungen ausverhandelt, mit denen im politischen Betrieb keiner gerechnet hatte. Aiwanger greift sich für seine Partei drei Ministerien, die der CSU weh tun. Für sich holt er ein um Landesplanung und Energie ergänztes Wirtschaftsministerium, das kann die Ex-Alleinregierungspartei verkraften. „Von Dorfwirtschaft bis Dax-Konzern“ sei er zuständig, frohlockt er. Für Bildungspolitiker Michael Piazolo sichert er dann aber das riesige Kultusministerium, das einen Milliardenetat und zehntausende Lehrerstellen verwaltet. Und für – aller Voraussicht nach – Thorsten Glauber, den bisherigen Fraktionsvize, pflückt er das Umweltressort.
Die Personalien bleiben fast bis Sonntagabend strikt geheim, nur ein winziger Zirkel um Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder weiß bescheid. Vor allem in der CSU schlägt das ein, wo viele erwartet hatten, dass sich die Freien Wähler mit ein bisschen Bau, Wissenschaft und Justiz zufrieden geben würden. Am Rande der gemeinsamen Sitzung von CSU-Vorstand und Landtagsfraktion, die den neuen Koalitionsvertrag absegnen soll, sieht man schwer bedrückte Bildungspolitiker. „Glücklich?“, raunzt einer, „glücklich kann ich damit nicht sein“. Ex-Kultusminister Ludwig Spaenle rauscht („kein Kommentar“) nach draußen. Thomas Goppel, ebenfalls Ex-Ressortchef, äußert wortreicher sein Bedauern. „Das Kultusministerium ist die zentrale Stelle für die künftige Generation.“
Söder selbst wirkt nicht sonderlich bekümmert, wenn man ihn nach dem Schulressort fragt. Er argumentiert sinngemäß, im anderen Bildungsressort – dem Wissenschaftsministerium – stecke mehr Potenzial an Zukunftsthemen, weil es um Forschung und Unis geht.
Offenbar wurde hinter den Kulissen kurz, aber heftig um die Ministerien gerungen. Aiwanger wollte zunächst Inneres greifen, es als großes Sicherheits- und Kommunalministerium zu führen – für die CSU aber so unverhandelbar wie das Finanzressort. Der Freie-Wähler-Chef, bald Vize-Ministerpräsident, deutet einmal bei seinem Auftritt am Sonntag Disharmonie an, lässt ungewohnte Schadenfreude durchblitzen. „Wir haben ihnen viele Themen reingewürgt, die sie nicht haben wollten“, sagt er über die CSU. Es gebe ein „letztes Stück Misstrauen“ zwischen den Koalitionspartnern.
Zwei Staatssekretäre stehen den Freien noch zu, darunter womöglich die Oberbayerin Eva Gottstein im Kultusressort, das ist aber noch nicht entschieden. Die restlichen zwölf Minister und Staatssekretäre stellt die CSU. Wer genau, will Söder erst am 12. November bekannt geben, wenn die Vereidigung im Landtag stattfindet.
Tatsächlich sind die CSU-Posten noch offen. Der bisherige Schulminister Bernd Sibler könnte eine Tür weiter ins Wissenschaftsressort wechseln. Bangen muss Noch-Umweltminister Marcel Huber, eigentlich parteiübergreifend für seine bodenständige, ruhige Art geschätzt. Vielleicht bleibt ihm ein Wechsel ins Bauressort. Noch-Wirtschaftsminister Franz Pschierer könnte auf das neu geschaffene Digital-Ministerium hoffen. Gute Chancen für den Verbleib in den Ämtern haben die Ministerinnen Michaela Kaniber (Agrar), Melanie Huml (Gesundheit) und Kerstin Schreyer (Soziales).