Der Kandidat in der Zwickmühle

von Redaktion

Vor seiner Europa-Kür will Weber nicht über den Parteivorsitz reden – Söders Freunde aber schon

München – Diese Tage hat Markus Söder ein kleines Video gedreht, ein Geschenk für Manfred Weber. „Toi, toi, toi“, sagt er in die Kamera, „lieber Manfred, ich drück’ Dir die Daumen. Ich glaube, Du wirst gewinnen.“ So viel Nächstenliebe ist in der CSU derzeit selten, und deshalb erklärungsbedürftig: Das Unterstützungsvideo gilt für Webers Europa-Spitzenkandidatur diese Woche in Helsinki. Und eher nicht fürs Rennen um den Parteivorsitz.

Die CSU-Führung übernehmen würde Söder nämlich selbst, statt dem ebenfalls gehandelten Weber dafür die Daumen zu drücken. Söder hat sich zwar bisher nicht öffentlich geäußert, intern aber deutlich darüber gesprochen. Er kann sich inzwischen vorstellen, beide Ämter – Ministerpräsident und Parteivorsitz – in (s)einer Hand zu bündeln. Auch wenn das bedeutet, zwei Koalitionen in München und Berlin gleichzeitig zu führen. Mehrere Parteifreunde redeten ihm in dieser Sache gut zu.

Seit diese Botschaft in der CSU am Donnerstag die Runde gemacht, beginnt die Partei darüber zu diskutieren. Befürworter der Doppelspitze melden sich zu Wort, Alois Glück etwa. Im Gegenzug kontert der frühere Landesgruppenchef und Minister Peter Ramsauer. „Wenn der Parteivorsitz – wann auch immer – frei wird, ist Söders Zugriff ein Muss“, sagt der Oberbayer. „Ministerpräsident und Parteivorsitz muss dann wieder in eine Hand.“

Weitere Söder-Unterstützer werden sich in den nächsten Tagen melden. Sie warten noch ab, bis die Regierung in Bayern steht und am Dienstag der Ministerpräsident gewählt ist, vielleicht auch noch Webers große Kür am Donnerstag in Helsinki. Spannend wird dann, wie sich mehrere große Gruppen in der Partei positionieren: Die Junge Union etwa, in der Söder- und Weber-Fans zahlenmäßig groß vertreten sind; und die CSU Oberbayern, der größte Bezirksverband. Dessen Vorsitzende Ilse Aigner gibt sich vorerst bedeckt. Man wolle den vereinbarten Fahrplan einhalten, sagt sie. Und erinnert an ein nicht unwesentliches Detail: Der Parteivorsitz ist formal bisher gar nicht frei. „Es gibt noch nichts zu verteilen, und Horst Seehofer hat sich noch nicht geäußert“, warnt Aigner. Sie rechnet für das kommende Wochenende mit den entscheidenden Gesprächen im Kreis der Bezirksvorsitzenden über Seehofers Zukunft und die Einberufung eines Sonderparteitags zur Wahl eines Nachfolgers. Seehofer sagte am Sonntag, er werde sich in der Woche ab 12. November zu seiner Zukunft äußern, seine Entscheidung stehe „weitestgehend“.

Weber selbst ist indes in einer Zwickmühle. Vor dem Auftritt in Helsinki will er sich nicht zu einer möglichen Kandidatur für den Parteivorsitz äußern. Der Chefposten einer Partei gilt als störend für das Erreichen seines Ziels, die EU-Kommission zu führen. Mit jedem Tag, an dem Weber nichts sagt, erscheint ein Parteichef Söder aber immer selbstverständlicher.

Der Niederbayer belässt es vorerst bei Andeutungen. In einem Interview der „Bild am Sonntag“ weicht er der Nachfrage nach seinen Ambitionen deshalb aus. Er habe „gezeigt, dass ich in der Lage bin, meine Aufgaben in Europa und für die CSU gut zusammenzubringen“, sagt Weber. „Die CSU in Bayern ist immer noch die stärkste Kraft, auch dank Markus Söder. Wir müssen uns als Mannschaft breit aufstellen und verschiedene Strömungen verkörpern.“

Da kann man alles Mögliche heraushören. Vor einem Sonderparteitag, bisher angedacht für 8. Dezember, ist allerdings auch noch genügend Zeit für die Entscheidung, ob sich Manfred Weber mit einem kleinen Unterstützungsvideo revanchiert.  cd

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