Ein Marathon zur Macht

von Redaktion

Fünf Wochen können für die Bewerbung um den CDU-Vorsitz ganz schön knapp werden. Zwei Männer haben sich schon positioniert, in dieser Woche will Annegret Kramp-Karrenbauer aus der Deckung gehen. Und die SPD?

VON JÖRG BLANK, RUPPERT MAYR UND TERESA DAPP

Berlin – Es wird ein Marathon, der die Partei sehr verändern könnte. Mindestens zwölf Männer und Frauen wollen sich um die Nachfolge von CDU-Chefin Angela Merkel bewerben. Reelle Chancen haben aber nur drei Kandidaten: Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn. Sie haben bis zum 7. Dezember Zeit, bei der CDU-Basis für sich zu werben. Auf bis zu zehn regionalen Konferenzen sollen sich die Kandidaten präsentieren.

Es ist ein ungewohnter Prozess, vor dem die CDU bis zum Parteitag in Hamburg steht. Fast 50 Jahre ist die letzte Kampfkandidatur um den Parteivorsitz her: Am 4. Oktober 1971 trat Helmut Kohl, damals Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, auf dem Bundesparteitag in Saarbrücken gegen Unions-Fraktionschef Rainer Barzel an. Kohl kam auf 174 Stimmen, Barzel auf 344. Zwei Jahre später löste Kohl Barzel ab.

In Hamburg dürfte es nun eine Art Richtungsentscheidung werden. Gewinnt beim Treffen der 1001 Delegierten AKK, wie die Generalsekretärin genannt wird, dürfte die von Merkel betriebene Öffnung der Partei hin zur linken politischen Mitte erhalten bleiben. Auch wenn die Ex-Ministerpräsidentin des Saarlands schon eigene Akzente gesetzt hat.

Spannend wird also sein, ob es Kramp-Karrenbauer gelingt, sich von Merkel zu emanzipieren. Noch hat sie sich nicht öffentlich zu ihrer Kandidatur geäußert – anders als Merz und Spahn. Strategen in der Partei bewerten es als klugen Schachzug, nach der überraschenden Kandidatur von Merz nicht in Hektik auszubrechen, sondern abzuwarten. In dieser Woche will sich AKK positionieren.

Auch Merz wird von jenen, die ihn lange kennen, als viel zu klug eingeschätzt, als dass er mit einem stramm-konservativen Rechtskurs jene vergraulen würde, die etwa zu den Grünen abgewandert sind. Das hat schon sein Auftritt vergangene Woche gezeigt, als er neben den Wirtschafts- und Europathemen ausführlich über eine Verjüngung der Partei und die Notwendigkeit sprach, mehr Frauen für die CDU zu begeistern. Ganz abgesehen von den Umweltthemen. Keiner soll ihm vorhalten, er sei auf einen Wirtschaftskurs fixiert.

Ob sich der Merz-Hype halten lässt? Mit seinem Antritt macht er es einem dritten jedenfalls schwer: dem ehrgeizigen Jens Spahn. Manche in der Partei glauben schon, der junge Bundesgesundheitsminister habe sich mit seinem Angriff auf die Migrationspolitik der Kanzlerin vergangene Woche ein Eigentor geleistet. Spahn, so wird intern getuschelt, habe jedenfalls von allen drei Kandidaten die schlechtesten Chancen.

Doch wer in fünf Wochen den Marathon zur Macht gewinnt, kann seriös niemand voraussagen. Auch deswegen zeigen sich die Parteigranden gestern beim Eintreffen zur Vorstandsklausur offen und ohne Festlegung. Niemand will es sich mit der oder dem Neuen verscherzen. Ohnehin seien die Zeiten vorbei, da man den Delegierten quasi „per ordre de Mufti“, wie es CDU-Vize Thomas Strobl nennt, vorschreiben konnte, wen sie wählen sollen.

Während die CDU ihre Frischzellenkur organisiert, fehlt der SPD ein echtes Ventil für ihren Ärger. Reicht die Offensive der Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles – „wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden“ –, um ihre Kritiker einzunorden? Oder wird der Druck zu groß, den SPD-Parteitag und damit die Entscheidung über die GroKo aufs Frühjahr 2019 vorzuziehen?

Die führenden Genossen hatten sich für Sonntag in ihrer Berliner Parteizentrale verabredet. Der Entwurf von Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil für einen Forderungskatalog an die GroKo kam nicht übermäßig gut an. Er soll die Handschrift der SPD in der großen Koalition klarer machen, enthält aber einige Selbstverständlichkeiten und viel Schwammiges. Schon heute könnte er in geschärfter Fassung vorliegen.

Immerhin stärkten einige Genossen Nahles vor dem Treffen den Rücken. „Die SPD hat in den letzten 15 Jahren ihre Probleme immer zu Macht- und Personalfragen gemacht“, sagte Außenminister Heiko Maas. „Was wir davon haben, das erleben wir heute“. Was die Partei brauche, sei „mehr Haltung statt Zaudern“.

Maas dürfte die Umfrage-Klatsche nicht entgangen sein, die am Wochenende die Runde machte. Die SPD liegt laut Forsa nur noch bei 13 Prozent. Kurz zuvor hatte sich sein Vorgänger im Amt, Sigmar Gabriel, zu Wort gemeldet. Der SPD, sagte er, drohe die Bedeutungslosigkeit. Aber das geschehe nicht automatisch, sondern sei zu verhindern. Mit viel Anstrengung.

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