Der Rosenkrieg ums Weiße Haus

von Redaktion

Noch nie haben sich ein Präsident und sein Vorgänger öffentlich so bekämpft – Viele Bösartigkeiten, aber kein Telefonat

Washington – Am 20. Januar 2017 schien die Welt zwischen den Trumps und Obamas noch in Ordnung zu sein. Beide Präsidenten trafen sich zur obligatorischen Amtsübergabe im „Oval Office“, die First Ladies inklusive. Es gab Kaffee, Tee, Gebäck, Smalltalk und freundliche Mienen. Als die Obamas schließlich das Weiße Haus verlassen hatten, fand Donald Trump Zeit, den auf dem Schreibtisch von seinem Vorgänger zurückgelassenen Brief zu lesen. In diesem wies Obama auf die Bedeutung der Demokratie hin, wünschte ihm alles Gute „für dieses große Abenteuer“ und bot an: Er und Michelle seien bereit zu helfen, wenn es denn möglich sei.

Telefoniert haben beide Präsidenten jedoch seitdem kein einziges Mal. Und das Verhältnis zwischen beiden „First Families“ hat mittlerweile eine historisch beispiellose Dimension an Bösartigkeit erreicht. Während es traditionell unter Präsidenten üblich gewesen ist, dass der Nachfolger möglichst nichts Negatives über seinen Vorgänger formuliert und dieser sich ebenfalls auf die Zunge beißt, sind diese Spielregeln längst über Bord geworfen worden. Siehe den jüngsten Schlagabtausch: Zunächst ließ Michelle Obama aus ihrem heute erscheinenden Buch („Becoming“) pikante Aussagen an die Öffentlichkeit lancieren – darunter diese: Sie werde Trump nie verzeihen, dass dieser „laut und rücksichtslos“ einst die Debatte um den Geburtsort und die Nationalität ihres Mannes angestoßen habe, Dies sei „gefährlich“ gewesen, weil es die Sicherheit ihrer Familie aufs Spiel gesetzt habe.

Zwar gibt es bis heute keine öffentliche Indizien dafür, dass die Diskussion um Obamas Herkunft tatsächlich radikale Kräfte inspiriert und ein Sicherheitsrisiko dargestellt hat. Dennoch kommt Michelle Obama zu ihrem harten Urteil. Der Präsident wiederum schoss kurz vor seinem Abflug nach Paris zurück: Sie habe ja ein Buch geschrieben und deshalb mit einer Kontroverse kommen müssen. Er hingegen werde Obama nie dafür vergeben, was dieser dem US-Militär angetan habe, Dies habe das Land sehr unsicher gemacht. Der Hintergrund: Barack Obama hatte während seiner Amtszeit mehrfach das Militär-Budget gekürzt, was allerdings auch den Abzug von Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan reflektierte.

Für Beobachter bestehen keine Zweifel, dass Michelle Obama auf ihrer heute in Chicago beginnenden lukrativen Buch-Werbetour durch zwölf Großstädte – in Hallen mit bis zu 20 000 Fans, Ticketpreise bis zu 1000 Dollar – gegen Trump nachlegen wird.

Doch woher kommen die so tief verwurzelten Animositäten? Für den Historiker Tim Naftali ist es äußerst ungewöhnlich, dass beide Seiten ihren Hass so offen zeigen. Trump sei dabei zwar am aktivsten, so Naftali, doch Barack Obama habe auch seinen Anteil an dem politischen „Rosenkrieg“ der Präsidenten. So hatte Obama kurz nach dem Wahlsieg Trumps über Hillary Clinton formuliert, er hätte diesen leicht geschlagen, wenn es ihm möglich gewesen wäre, ein drittes Mal zu kandidieren. Das soll im Hause Trump extrem schlecht angekommen sein, berichten Insider.

Für die Obamas ist es wiederum ein rotes Tuch, dass Trump keine Gelegenheit auslässt, exekutive Entscheidungen seines Vorgängers zu revidieren – von Einwanderung bis Klimaschutz. Hinzu kommt Trumps Unterstellung, Obama habe nicht genug gegen Versuche Russlands getan, die Wahl zu beeinflussen. Zudem habe Obama angeordnet, dass man ihn im Trump-Tower in New York abhöre. Für letzteren Vorwurf gibt es bisher allerdings kein klares Indiz. Auch vermuten einige Konservative im Trump-Lager und in rechtsorientierten Medien, dass Obama von seiner Ruhestands-Villa in Washington aus heimlich als Teil einer sogenannten „Deep-state“-Widerstandsbewegung von Demokraten und Beamten in den Behörden gegen Trump operiert und ihm – siehe die umstrittene Nominierung des Richterkandidaten Brett Kavanaugh – das Leben schwer macht.

Auch dies sind nur Gerüchte. Aber sie haben zu der massiven Klimaverschlechterung zwischen beiden Politikern und ihrer Entourage beigetragen. FRIEDEMANN DIEDERICHS

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