München – Es ist dieser Mittwochvormittag im Landtag, an dem der CSU mal wieder eines ihrer größeren Probleme gewahr wird. Die Fraktion tritt zusammen, 85 Leute, um ihre offenen Positionen in der Führung zu wählen, begehrte Ämter. Es zeigen Interesse: Ein Mann. Ein Mann. Ein Mann. Und noch zwei Männer. Die Herren könnten jetzt gewählt werden, jemand zieht aber die Notbremse. Eine Führungsriege ganz ohne Frauen – nicht schon wieder. Die Wahl wird vertagt, die Abgeordneten wollen noch mal nachdenken.
Das Problem mit fehlenden Frauen hat die CSU nicht exklusiv. In der Partei wächst aber der Wille, dieses und weitere Defizite anzupacken. Eine große Parteireform rollt an, mit Plänen, wie die CSU neu strukturiert werden kann. „Wir müssen jünger, weiblicher und offener werden“, sagt Generalsekretär Markus Blume.
Bei drei internen Runden mit der Jungen Union, den Bezirksvorsitzenden und mit Mitarbeitern der Parteizentrale nannte Blume jüngst Eckpunkte, berichten Teilnehmer, und das in schroffen Worten: „Es gärt.“ Die Partei erwarte eine Aufarbeitung der zurückliegenden Wahlen, wo die CSU dramatisch absackte, beginnend bei Europa 2014 (40,5 Prozent), Bundestag 2017 (38,8 Prozent) und der Landtagswahl 2018 (37,2 Prozent). Man könne das „selbstzerstörerisch machen wie die SPD mit einem 150-Seiten-Dokument darüber, was alles Mist ist“, wird Blume zitiert – „oder wir schauen nach vorne und ziehen die richtigen Lehren“.
Er will unter anderem das komplizierte System der Kandidaten-Aufstellungen umbauen. Bisher wählt die Basis Delegierte, die wählen dann Bewerber. Schon der Beisitzer im JU-Ortsverband lernt früh, dass der Schlüssel zur Macht ist, auf unterster Ebene die richtigen Delegierten auszusuchen. Blume will Ideen aus der Frauen-Union und Teilen der JU aufgreifen, die Delegierten zu quotieren – 20, 30, 35 Prozent Frauen? Vize-Generalsekretärin Daniela Ludwig wirbt offen für diese neue Quote: „Die CSU ist Volkspartei und hat den Anspruch, die Gesellschaft entsprechend zu repräsentieren.“ Hintergedanke: Niemandem kann man vorschreiben, ob er Frauen in hohe Ämter wählt. Wenn aber mehr Frauen in den Aufstellungsversammlungen sitzen, werden wohl auch mehr Frauen gewählt.
Blume will der CSU zudem mehr Basisdemokratie gönnen. Er will Strukturen aufbrechen, Facharbeitskreise aus dem Nebenzimmer holen und öffnen – auch für Nicht-Mitglieder. Die Zahl der Parteibücher ist eh auf einem Tiefstand, rund 140 000, bedingt nicht durch Austritte, sondern Sterbefälle. Kann man politisch Interessierte, etwa auf den Feldern Umwelt oder Digitalisierung, so näher an die CSU gewöhnen?
Das lässt an den Radikal-Umbau denken, den Österreichs Kanzler Sebastian Kurz der ÖVP verordnete und den Emmanuel Macron in Frankreich suchte – geht aber nicht so weit. Kurz brach alle ÖVP-Strukturen auf, stellte ganz neue Kandidatenlisten nach dem Reißverschluss-Prinzip Mann/Frau auf. Seine „Liste Sebastian Kurz“ legte in Umfragen 14 Prozentpunkte zu. Macron schuf sogar eine neue Partei, taufte sie eine „Bewegung“ mit hunderten Ortsvereinen, neu, unverbraucht, in der Mitte. Er holte eine absolute Mehrheit.
So weit will die CSU nicht gehen, sich auch nicht so extrem personalisieren – keine „Liste Söder“, kein „En Marche Markus“. Blume scheut das Wort „Bewegung“ allerdings nicht. „Die CSU ist nach dem Zweiten Weltkrieg als Sammlungsbewegung gegründet worden. Wir brauchen auch jetzt wieder mehr Bewegung in der Partei.“ Er will die Pläne demnächst der Parteispitze vortragen, übrigens unabhängig von der Frage, ob Horst Seehofer noch da ist. Details mag er vorher nicht bestätigen, nur die Grundlinie: „Wir müssen deutlich mutiger werden.“ Die CSU dürfe sich nie zufriedengeben mit 30 plus x. Inhaltlich fordert er, weder die AfD rechts zu akzeptieren noch den Ausbau der Grünen zur bürgerlichen Kraft.
Der Zeitplan: Möglichst zügig will Blume einen Sonderparteitag als Startschuss für den Umbau der CSU. Es folgen wohl unter anderem Basis-Dialoge des neuen Parteichefs. Der reguläre Parteitag im Herbst 2019 soll dann die neue Satzung beschließen.