Lübeck – Der Applaus der rund 800 angereisten CDU-Mitglieder war eher zurückhaltend, als die drei Kandidaten für den Parteivorsitz in die Kulturwerft Gollan in Lübeck einzogen. Diese Situation war nach 18 Jahren Dominanz von Angela Merkel an der Parteispitze offensichtlich ungewohnt für die Basis.
Als der Hausherr, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), dann die Kandidaten einzeln vorstellte, gab es viel Beifall für Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, etwas weniger euphorisch fiel er für den dritten, Gesundheitsminister Jens Spahn aus.
Wer darf nun beginnen mit der Vorstellung? Die drei ziehen ein Los: Nummer 1: Kramp-Karrenbauer, Nummer 2: Merz und Nummer 3: Spahn. Manche dürften dies als Omen angesehen haben.
Denn kurz vor dem Auftritt der Kandidaten wurde der neue ARD-Deutschlandtrend bekannt. Eine Befragung der CDU-Anhänger Anfang der Woche ergab demnach, dass 46 Prozent der Ansicht seien, die CDU-Generalsekretärin sollte neue CDU-Chefin werden. 31 Prozent sagen, dies sollte Merz werden und 12 Prozent sprachen sich für Spahn aus. Eine Vorentscheidung?
Sicherlich nicht. Es sind nicht einfache CDU-Anhänger, sondern die 1001 Delegierten, die auf dem Parteitag am 7. Dezember in Hamburg entscheiden, wer es wirklich wird. Die Zusammensetzung dieser Delegierten, darunter viele Funktionäre auf lokaler und regionaler Ebene, haben sicher schon alle drei analysiert. Doch wer konnte nun auf der Regionalkonferenz in Lübeck punkten? Viel aus dem Applaus der CDU-Mitglieder für die einzelnen Kandidaten herauszulesen, war schwierig. Die Positionen der drei brachten keine Überraschung: Zusammenhalt der Partei, innere Sicherheit, Steuern und Steuersystem, Wohnungsbau, Digitalisierung, Mittelstand, Bundeswehr, mehr Macht für die Mitglieder im Dreiklang von Partei, Unionsfraktion und Kanzleramt.
Kramp-Karrenbauer, die an diesem Abend zwischen ihren beiden hoch gewachsenen Kontrahenten steht, gibt die erfahrene Regierungschefin. Sie habe – im Gegensatz zu den beiden anderen – schon harte Wahlkämpfe geführt und vor allem gewonnen. Sie spricht die Herzen der Parteimitglieder an.
Merz versucht, sich als Wirtschaftskopf zu präsentieren, kühl mit erhobenem Zeigefinger. Und er spielt mit der Angst der Bürger vor einem bevorstehenden Wirtschaftseinbruch. Und ja, er stehe dazu, ein effektives und einfaches Steuersystem sei möglich, vielleicht lasse sich das heute nicht mehr auf den Bierdeckel malen. Kramp-Karrenbauer nimmt den Steuerfachmann direkt in die Pflicht: sie erhoffe sich von ihm ein effizientes Steuersystem – sobald sie Parteichefin ist, heißt das wohl.
Spahn, der nervös wirkt, setzt vor allem auf das Thema Innere Sicherheit. Er sieht sich wohl auch im Hintertreffen und versucht, durch eine schärfere Tonalität wieder nach vorne zu kommen. Es brauche Mut zu einem echten Neustart, sagt der Gesundheitsminister. Es dürfe weder ein „Weiter so“ geben noch Nostalgie oder ein Zurück in die Vergangenheit.
Das kein „Weiter so“ darf als Spitze gegen Kramp-Karrenbauer verstanden werden, der nachgesagt wird, sie führe die Geschäfte so weiter wie die scheidende Parteivorsitzende Merkel. Das „Zurück in die Vergangenheit“ dürfte auf den 63-jährigen Merz gemünzt sein, der seit 2009 der Politik den Rücken kehrte und in die Wirtschaft ging.
Am Schluss wird es dann doch nochmals lebhaft, als ein Teilnehmer die drei fragt, was sie denn nun unterscheide. Merz und Kramp-Karrenbauer hielten sich diplomatisch zurück. Spahn versucht dann doch noch, einige Unterschiede herauszustellen – und sich als Konservativer zu profilieren. Ob ihm das geholfen hat, ist an diesem Abend fraglich. E. MESTER, M.HOENIG UND R.MAYR