Was für ein Tag! Vier Rücktritte in der Regierung, Theresa May im mehrstündigen Dauerfeuer der Unterhausabgeordneten, ein Brexitvertrag, der im Parlament heftig kritisiert wird, und dann der Paukenschlag: Die Rebellen in der 315-köpfigen Tory-Fraktion rufen zum Putsch gegen die eigene Premierministerin. Wirklich überraschen dürfte das die Regierungschefin nicht. Monatelang hat sie zwischen Proeuropäern und harten Brexiteers laviert. Jetzt, da der Kompromiss mit Brüssel über einen geordneten Austritt aus der EU vorliegt, kommt die Stunde der Abrechnung. Sie könnte, falls sie siegt, zum reinigenden Gewitter für May werden.
Denn das Unterhaus präsentierte sich gestern dreigeteilt: Die Gruppe der EU-Gegner, die alle Warnungen vor den katastrophalen Folgen eines harten Brexits in den Wind schlagen. Die Gruppe jener, die ein zweites Referendum für einen Verbleib in der EU fordern, diesmal aber „auf der Basis der Fakten statt Versprechungen“, wie es ein Abgeordneter formulierte. Und jener Teil des Parlaments, der in dem vorliegenden Deal Mays zwar viele Schwächen sieht: etwa die Sorgen einer zu langen Übergangszeit, in der man noch unter dem direkten Einfluss der EU steht und zahlen muss, aber keine Mitsprache hat. Oder Befürchtungen, die Regelungen zur Nordirland-Frage könnten die Einheit des Königreichs bedrohen. Am Ende des Tages könnten diese Abgeordneten, vor die Wahl gestellt, Deal oder Chaos, das scheinbar Unmögliche möglich machen – und May zur Mehrheit verhelfen.
Alexander.Weber@ovb.net