Seehofers Rückzug am 19. Januar

Der Sündenbock trollt sich

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Die Rücktritts-Festspiele in der CSU sind vorerst beendet: Am 19. Januar will Horst Seehofer den CSU-Vorsitz abgeben. Diesmal wirklich. Für einen Rückzug aus freien Stücken kommt die Ankündigung zu spät. Aber sie kommt gerade rechtzeitig, um ein paar Widersacher zu ärgern. Seehofer überlebt im Parteiamt nicht nur knapp die CDU-Kollegin Merkel. Sondern auch die Vor-Vorgänger Stoiber und Waigel, die zuletzt kräftig mitgesägt haben an seinem Partei-Thron. Auf neun Jahre an der CSU-Spitze brachte es Edmund Stoiber, auf zehn Jahre und zwei Monate Theo Waigel – drei Wochen weniger als Seehofer. Länger als der Mann aus Ingolstadt wird am Ende nur Franz Josef Strauß die Geschicke der Partei gelenkt haben. In der geschichtsbewussten CSU ist das eine große Sache.

Für seinen Doppel-Nachfolger Markus Söder ist Seehofers Abgang ein Grund zur Freude. Doch Vorsicht: Einen besseren Sündenbock als ihn wird er nicht mehr finden. Mit seiner Sturköpfigkeit (und den ebenso spektakulären Drehmanövern), auch mit seinen unbestreitbaren politischen Fehlern hat Seehofer anderen geholfen, eigenes Versagen zu kaschieren: Söder, Merkel, Nahles und ihre SPD – was sollen sie nur anfangen, wenn sie selbst für ihre Fehler einstehen sollen, statt mit dem Finger auf den schwarzen Riesen zu zeigen? Und was soll der mediale Betrieb tun, wenn all die aufgeblasene Entrüstung sich nicht mehr gegen den Bayern richten kann? Etwa anfangen, auch mal die Grünen und ihre Politik etwas kritischer zu hinterfragen? Zum Beispiel Habecks Hartz-IV-Unsinn?

Seehofer war in seinen guten Zeiten, wovon andere nur träumen: ein Menschenfischer, ein geschätzter und erfolgreicher Ministerpräsident, ein Superschwergewicht, das auch den Kampf mit der Kanzlerin aufzunehmen wagte. Auch wenn er nun als tragischer Held die Bühne verlässt, vielleicht auch bald als Innenminister, darf Horst Seehofer doch hoffen, dass man sich seiner Verdienste erinnern wird.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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