Eine Partei atmet auf

von Redaktion

Horst Seehofer hat einen großen Spannungsbogen geschlagen: Nach tagelangen Spekulationen verkündet er maximal nüchtern seinen Abschied als CSU-Chef. Doch die Spielchen in der Partei gehen weiter. Bislang gibt es offiziell keinen Kandidaten für die Nachfolge.

VON MIKE SCHIER

München – Fünf Sätze. Tage-, nein wochenlang hatte Horst Seehofer sein Abschieds-Schauspiel zelebriert. Er stellte einen Fahrplan bis zur großen Verkündung auf. Er erklärte, sich beim Treffen der Bezirksvorsitzenden am vergangenen Sonntag nicht zu seinen Zukunftsplänen äußern zu wollen. Natürlich tat er es dann doch. Minuten nach Ende der Sitzung war das Ergebnis in der Welt: Rückzug vom Parteivorsitz. Am Montag musste er öffentlich bestätigen. Aber es werde „im Laufe der Woche“ noch eine Erklärung folgen. Selbstverständlich reizte er die Woche aus. Am Freitag um 10.28 Uhr kamen per E-Mail fünf schnöde Sätze. Kein Wort zur Zukunft als Innenminister. Neu nur der Zeitpunkt seines Rückzugs als CSU-Chef: der 19. Januar. Und die bahnbrechende Information, dass es zur Vorbereitung des Parteitags am 17. Dezember eine Vorstandssitzung gebe.

Wieder nähert sich die Ära Seehofer einen Trippelschritt weiter ihrem Ende zu. Die Partei, seit Wochen durch die Spielchen, Spekulationen und Falschmeldungen geradezu gelähmt, atmet auf. Es gibt die üblichen Dankesbekundungen, vermutlich aus tiefstem Herzen. „Respekt für die Entscheidung von Horst Seehofer“, lässt Markus Söder ausrichten. „Er hat die Partei in schwierigen Zeiten als Vorsitzender übernommen und sie über zehn Jahre mit großem Einsatz geführt.“ Für Seehofer seien immer die Menschen im Mittelpunkt gestanden, erklärt EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Angela Merkel dankt für „intensive Zusammenarbeit“.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Die höflichen Äußerungen gehören sich, täuschen aber nicht darüber hinweg, dass sich die Partei und ihr Vorsitzender auseinandergelebt haben. Kaum einer hielt noch direkten Kontakt zum Chef. Auch das machte es lange so schwierig einzuschätzen, ob Seehofer wirklich zur Stabübergabe bereit ist.

Schon nach der Sitzung am Sonntag war die Erleichterung groß. Aber kaum einer wagte sich zu äußern – vor Seehofers „Erklärung“. Nach den fünf Sätzen vom Freitag bricht es deshalb geradezu heraus. Ein Minister, ein Bezirksvorsitzender nach dem anderen muss jetzt erklären, wie es weitergeht. Die Kurzfassung: Geschlossenheit. Raus aus der Krise. Vertrauen gewinnen. Und besonders häufig: die Ämter des Ministerpräsidenten und des CSU-Vorsitzenden wieder in einer Hand. „Ich würde mir wünschen, dass Markus Söder nun baldmöglichst seine Kandidatur für den Vorsitz erklärt“, sagt Finanzminister Albert Füracker, einer der engsten Vertrauten des Ministerpräsidenten.

Doch Söder selbst schweigt am Freitag. Am Morgen haben er und Seehofer telefoniert. Es habe keinen Dissens gegeben, heißt es hinterher. Auch eine Telefonkonferenz zwischen Seehofer, seinen Stellvertretern und den beiden Generalsekretären verläuft harmonisch. Kurz kommt sogar so etwas wie Wehmut auf. Seehofer sagt, dass die Nachfolge auf Söder zulaufe, es aber kein Beinbruch sei, wenn es Gegenkandidaten gebe.

Man einigt sich darauf, sich mit öffentlichen Äußerungen zur Nachfolge zurückzuhalten. Die Bühne soll am Freitag dem scheidenden Chef gehören. Deshalb lehnt auch Manfred Weber jede Stellungnahme ab. Der Niederbayer hatte sich im vergangenen Jahr als Nachfolger in Stellung gebracht – und hätte sich auch jetzt nicht gegen eine Wahl gewehrt. Doch seitdem Söder den Parteivorsitz aktiv anvisiert, agiert Weber vorsichtiger. Verständlich: Eine Niederlage kurz vor der Europawahl im Mai käme für ihn mehr als ungelegen, schließlich will er EU-Kommissionspräsident werden. Dieser Posten ist wichtiger als ein Parteivorsitz.

So geht die CSU ohne offiziellen Kandidaten ins Wochenende. Das dürfte sich bald ändern. Fast alle Söder-Vertrauten äußern sich klar pro Söder – sicher nicht ohne vorherige Absprache.

Und Seehofer? Die Abrechnung mit den Parteifreunden blieb aus. Dafür macht ihm nun keiner den Posten des Innenministers streitig. Gegenüber den Bezirksvorsitzenden hatte der 69-Jährige angekündigt, auch diesen Posten vorzeitig abzugeben. Der Zeitpunkt: offen. Der Abschied dürfte am Schicksal Merkels als Kanzlerin hängen. Ansonsten macht Seehofer wieder einen Fahrplan.

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