Innenministerium will schneller abschieben

von Redaktion

Das Innenministerium will die Bundesländer dazu bringen, Asylbewerber schneller in das jeweils für ihr Verfahren zuständige EU-Land zu bringen. Aber die Vorschläge stoßen auch auf Kritik. Parallel sorgt eine Werbekampagne zur „freiwilligen Rückkehr“ für Diskussionen.

München – Schon kurz nach Amtsantritt im März hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angekündigt, sich besonders dem heiklen Thema Abschiebungen zu widmen. Nun hat sein Ministerium Vorschläge für die Bundesländer entwickelt, um die Ausreise abgelehnter Asylbewerber zu beschleunigen. Wichtig: Dabei geht es in erster Linie nicht um die erzwungene Rückkehr ins Heimatland, sondern um die Überstellung in jenes EU-Land, das laut den Dublin-Regeln für das Asylverfahren zuständig ist.

Konkret wird den Bundesländern eine nächtliche Meldepflicht für Ausreisepflichtige vorgeschlagen, wenn diese ihre Gemeinschaftsunterkünfte verlassen. Bei Verstößen könne Haft angeordnet werden, „sofern die Umstände des Einzelfalls hierdurch Fluchtgefahr annehmen lassen“. Weiter heißt es, in Aufnahme- und Rückführungszentren sollten Flüchtlinge ihre Post nur noch mit einer Chipkarte abholen können. Bescheide könnten so tagesaktuell zugestellt werden, ein Untertauchen solle zügig festgestellt werden können. In Dresden gebe es schon ein solches System.

In den Gemeinschaftsunterkünften sollten ferner Ärzte fest angestellt werden. Zudem würden „No-name-Buchungen“ bei Abschiebeflügen sicherstellen, dass Plätze an Bord nicht unbesetzt blieben, wenn ein Flüchtling vor seiner Abschiebung untertauche. Besonders diese Forderung stößt allerdings bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf Kritik. Man habe nicht das Personal, „um Ersatzkandidaten für Abschiebeflüge aufzusuchen, wenn einer spontan untertaucht“, sagte GdP-Vize-Chef Jörg Radek der Zeitung „Die Welt“. Ohne eine Verbesserung der personellen Situation seien die vorgeschlagenen Maßnahmen „kaum umsetzbar“.

Grundsätzliche Kritik an den Vorschlägen kommt von der Organisation Pro Asyl. „Das Bundesinnenministerium suggeriert, durch diese Maßnahmen könne breit abgeschoben werden“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. Aber Abschiebungen in andere EU-Staaten scheiterten in der Regel daran, dass dort menschenunwürdige Zustände ohne Integrationsperspektive herrschten. Deutschland versuche, sich seiner Verantwortung auf Kosten der südlichen EU-Staaten zu entledigen.

Auch die Kommunikation des Innenministeriums wirft Fragen auf. Am Sonntag hatte ein Sprecher zunächst dementiert, dass es eine Liste mit den genannten Vorschlägen gebe. Später kam doch die Bestätigung. Am Montag nannte eine Sprecherin auch Zahlen. Demnach gab es bis Ende Oktober diesen Jahres gut 8000 Rückführungen nach dem Dublin-Verfahren. Im gesamten vergangenen Jahr waren es rund 7100.

Nicht nur die Rückkehr in das für das Asylverfahren zuständige EU-Land, sondern auch die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihr Heimatland sorgt regelmäßig für hitzige Debatten. Zuletzt hatte sich Bundesinnenminister Seehofer offen gezeigt, Kriminelle und sogenannte Gefährder sogar ins Bürgerkriegsland Syrien abzuschieben. Die Innenminister von Sachsen und Bayern haben sich bereits ähnlich positioniert. Diskutiert werden soll das Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz Ende November. Das Auswärtige Amt warnt vor Abschiebungen nach Syrien. „In keinem Teil Syriens besteht ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen“, zitiert die „SZ“ aus dem unter Verschluss gehaltenen neuen Lagebericht des Außenministeriums. Für Rückkehrer bleibe daher das Risiko hoch.

Derweil sorgt eine Werbekampagne des Innenministeriums in sozialen Netzwerken für Diskussionen. Mit mehrsprachig bedruckten Plakaten sollen (abgelehnte) Asylbewerber verstärkt zur freiwilligen Rückkehr ins Heimatland animiert werden.   Solche Programme gibt es seit den 1990er-Jahren – teils von den Vereinten Nationen und dem Bund, teils zusätzlich in einigen Bundesländern. Üblicherweise erhält jeder Nicht-EU-Ausländer, der freiwillig zurückkehrt, 1200 Euro. Bei Menschen mit abgelehntem Asylbescheid sind es 800 Euro. Seit 15. September und bis 31. Dezember diesen Jahres gibt es eine zusätzliche „Extra-Prämie“ von 1000 Euro.  mfh/dpa/afp

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